Die San-Diego-Mission
nicht mal mehr selbst kannten und daß es mit all dem Blödsinn und ihrer Kameradschaft im Grunde ein für allemal vorbei war.
Sie kamen zum Dienst und sahen aus wie jemand, der aus einem Güterwaggon gefallen oder von einem Bahnpolizisten rausgeschmissen worden ist. Sie arbeiteten im Garten oder wuschen ihr Auto oder streuten Kunstdünger oder taten sonst was, und dann kamen sie zum Dienst. Verwildert. Unrasiert. Eddie Cervantes, der begeisterte Reservist beim Marinecorps, ließ sein Haar bis über den Achtersteven wachsen und ging nicht mal zu den Reservistentreffen.
Sie sagten sowohl ihren Frauen und Freunden als auch ihren Copkollegen, die Streife gingen, und den Detectives, daß sie sich so anziehen und so aussehen und stinken müßten. Daß sie draußen in den Canyons Grenzgänger sein müßten. Daß lediglich die Qualität ihrer schauspielerischen Leistungen von Fall zu Fall darüber entscheiden würde, ob sie am Leben blieben oder sterben müßten. Dann guckte unter Umständen der eine oder andere von ihnen auch noch seinen ehemaligen Partner, der Tag für Tag seine Polizeiuniform tragen und den Vorschriften des Departments und der Stadt und des Staates und der Vereinigten Staaten über das passende Benehmen Rechnung tragen mußte, von oben herab an und sagte: »Hör doch damit auf, leck mich doch am Arsch! Was verstehst du denn schon davon?« Die natürliche Folge davon war in letzter Konsequenz die, daß die Mehrzahl ihrer Copkollegen, die nicht zu BARF gehörten, in ihren Augen nur beschissene Zivilisten waren.
Ihre ganze Paranoia, die hundertmal stärker war als die normale Paranoia der Polizei, trat zutage, nachdem Joe Vasquez, der beim Central Headquarter in der Stadt einige Besorgungen für Manny Lopez erledigen sollte, einem uniformierten Cop aufgefallen war, der bloß einen einzigen Blick auf diesen vergammelten, struppigen und abgerissenen Canyonkriecher geworfen und dann ohne zu zögern die Kanone gezogen und auf ihn angelegt hatte, worauf Big Ugly bloß noch nach Luft schnappte und brüllte: »Hör auf hör auf hör auf! Ich bin ja auch nur 'n Cop, verdammt!«
Ließen sie sich vielleicht dadurch davon überzeugen, daß Big Ugly und sie alle schauerliche Klamotten anhatten? Ach wo, sie wurden nur in ihrem Glauben bestärkt, daß sie mit ihrer früheren Truppe nichts mehr gemeinsam hatten, und die Schranken zwischen der kleinen belagerten Schar und den anderen wurden immer höher.
Dann jedoch betrat Manny Lopez wieder mal die Szene, gerade von einer Rede vor Studenten der San Diego State University kommend, das dünn werdende Haar frisch gefönt und gestylt, und wenigstens er erregte mit seiner goldenen religiösen Medaille, seinem funkelnden protzigen Ring und seinen makellosen Diskoklamotten immer noch die Aufmerksamkeit aller Leute. Und er roch nach Jade East oder Brut oder dergleichen, und er fing gleich an, ihnen von dieser dreiundzwanzigjährigen Nachwuchsschönheit zu erzählen, die ihm ihre blöde Telefonnummer buchstäblich nachgeschmissen und ihn gefragt hatte, ob Revolverhelden Sportslips trügen, weil sie da gerade eine Untersuchung durchführe.
Und wenn Manny, seine übliche Santa Fe Corona zwischen den Zähnen, dann sein spitzbübisches Grinsen aufsetzte, fragte irgendeiner, gewöhnlich Eddie Cervantes: »Was machen wir denn bloß heute abend?«
Und Manny fragte: »Wie meinste das?«
Und Eddie Cervantes sah Manny mit seinen traurigen Augen niedergeschlagen an und sagte: »Na ja, wir könnten versuchen, 'n paar Gangster auf uns scharfzumachen. Aber nur, wenn du dir ne Perücke aufsetzt.«
»Ne Perücke? Wovon redest du?«
»Na ja, als Grenzgänger gehste kaum durch, weil du riechst wie ne Edelnutte, aber mit Perücke könnten sie unter Umständen versuchen, dich zu vernaschen.«
Und dann sagte Ernie Salgado, der Manny mittlerweile ebenfalls verabscheute: »Hey, Manny, wann gehen wir denn mal ganz groß aus?«
Manny, der sich inzwischen mehr und mehr in der Defensive befand, meinte schließlich: »Ich hab euch tausendmal gesagt, ihr könnt jederzeit mitkommen! Ihr braucht mir bloß zu sagen, wenn ihr mitkommen wollt. Sagt mir doch einfach Bescheid, ihr Arschlöcher!«
Manny Lopez war bei allen reichlich unten durch. Er spürte die wachsende Verbitterung und den Neid, der sowohl von außen als auch aus seinen eigenen Reihen kam, immer stärker. Er redete mit Vorgesetzten über die Sache, beispielsweise mit Dick Snider, der seit einiger Zeit strikten Befehl hatte, nur noch als
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