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Die San-Diego-Mission

Die San-Diego-Mission

Titel: Die San-Diego-Mission Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Wambaugh
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wie Gummi wirkenden Muskelgewebe sah dieser Gangster wirklich grauenhaft aus. Alle paar Minuten mußte er in ganzen Klumpen rostrotfarbigen Schleim ausspucken, und sie brauchten sich bloß seine gelben Fingernägel und das wie eine Trommel gespannte gelbgefärbte Fleisch anzugucken, um sofort an Fliegeneier zu denken. Dieser Mann stank nach Tod.
    Dann piekte Manny unabsichtlich in eines dieser feuerroten Nadelgeschwüre, und das Geschwür platzte auf, und er war von oben bis unten mit Eiter vollgespritzt. Ein Geruch von fauligem Gas und Verwesung erfüllte den Raum. Das also war der Gestank, der von diesen Gangstern kam. Weil der größte Teil ihrer Körperoberfläche total verseucht und voll von Geschwüren war, stanken sie nach Verwesung. Nach sterbendem oder bereits totem Fleisch.
    Von hier aus war es dann nicht mehr weit bis zum nächsten Gedanken, der allerdings fast schon ein Alptraum war. Während Manny Lopez sich immer noch um die nächsten Schlagzeilen kümmerte, trieben sie mit ihrer neuen Idee ein wenig Hirnakrobatik: Die Gangster stanken nicht allein nach Tod. Die Gangster stanken nach Mord.
    Und über noch einen Punkt mußte man sich im Grunde an diesem Abend Gedanken machen, über irgendwas ganz Verrücktes und Verwirrendes. Manny Lopez saß da also munter und vergnügt und erwartete die Reporter. Eddie Cervantes, Tony Puente und Renee Camacho hingegen, die gerade auf Menschen geschossen hatten und im Anschluß an dieses Horrorerlebnis von Mannys Verschwinden um ein Haar selbst erschossen worden waren, spielten die Ereignisse noch und noch durch, um sich restlos über die Empfindungen klarzuwerden, die sie bei der ganzen Sache gehabt hatten. Mit anderen Worten, sie reagierten ganz normal auf eine wahnsinnige Streßsituation. Aber Manny Lopez schaute sich bloß seine Kanone an, als ob er gerade bei einem guten Footballspiel gewesen wäre, in dem seine Mannschaft ein Feldtor erzielt hatte.
    Eine solche Reaktion auf die Ereignisse war effektiv nicht mehr menschlich, meinten sie. Und damit nicht genug, sie kamen mehr und mehr zu der Überzeugung, der Scheißkerl sei irgendwie unverwundbar. Sie kriegten buchstäblich Alpträume, in denen sie allesamt ermordet wurden, während er bloß munter und vergnügt rumsaß und so aussah, als ob alle Weiber sich nur um ihn reißen würden.
    Es war, was ihren mexikanischen machismo betraf, für einige von ihnen zwar ganz schön hart, sich mit so etwas abzufinden, aber der Haß auf Manny Lopez verwandelte sich von diesem Abend an in ein ganz anderes Gefühl, das ihnen ständig bewußt war. Natürlich wußte niemand, warum das so war, aber sie fingen an, Angst vor ihm zu haben. Es war zwar nicht die Art von Angst, die man davor hat, ermordet zu werden, aber trotz und alledem, es war echte Angst.
    Letzten Endes machte ihnen an diesem Abend, an dem Manny verschwand, noch ein weiterer Punkt gewaltige Kopfschmerzen. Die Erinnerung daran nämlich, wie das Ganze da unten in dem mexikanischen Graben auf sie gewirkt hatte. Loco und Manny, einer wie der andere. Dieselbe Größe und dasselbe Gewicht, mit ein paar Tagen Abstand auf die Welt gekommen. Trotzdem, durch eine imaginäre Linie, zwei total verschiedene Lebensläufe. Sanchez und Lopez. Unter mexikanischem Himmel: sie verprügelten sich, sie stöhnten, sie verfluchten sich in ein und derselben Sprache. Sie hatten in der Dunkelheit wie Zwillinge ausgesehen, wie die Schatten von Zwillingen gewirkt. Und dies alles führte geradezu zwanghaft zu der Frage, wie es gelaufen wäre, wenn Sanchez etwas weiter nördlich, Lopez dagegen etwas weiter südlich das Licht der Welt erblickt hätte. Hätte es dennoch ein solches Ende genommen? Hatte etwa einer dieser beiden jemals die Chance einer Wahl gehabt? Oder war das Ganze letztlich doch von DEM bestimmt gewesen, der alle imaginären Linien zog?

 

    14. KAPITEL
    Exorzismus
    A ngstträume nehmen bei Polizeibeamten immer mehr überhand. In den Träumen der Cops kommt ununterbrochen ein Mann mit einer Waffe vor, der gar nicht daran denkt, zu sterben oder hinzufallen oder wenigstens die Kanone fallen zu lassen. Die Cops feuern und feuern, aber die Geschosse haben überhaupt keine Wirkung. Für nur sehr wenige Cops allerdings wird der Traum Wirklichkeit.
    Am Abend der Festnahme von El Loco hatte Renee Camacho aus seinem Schrotgewehr zwei Schüsse auf einen Gangster abgefeuert, der mit seiner Waffe auf ihn gezielt hatte. Der Gangster war hingefallen, aber auch wieder aufgestanden, und er

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