Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die San-Diego-Mission

Die San-Diego-Mission

Titel: Die San-Diego-Mission Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Wambaugh
Vom Netzwerk:
Er bekam später eine eintägige Disziplinarstrafe, weil er diesen Schuß abgefeuert hatte, wurde jedoch nach dem, was gleich am nächsten Abend passierte, schleunigst zum nächsten Psychiater geschickt.
    Abends am 24. Januar, wirklich schon am nächsten Abend und zu einer Zeit, da Ken Kelly nicht mal seinen Papierkrieg über die Schießerei vom Abend zuvor restlos erledigt hatte, meldete sich einer seiner Leute von einer neuerlichen Verfolgungsjagd und schickte ihn dadurch nach seinem kaum ausgestandenen Scharmützel abermals auf den Kriegspfad. Zwei Sicherheitsbeamte eines bestimmten Krankenhauses – »Death Valley Hospital« genannt, weil in diesem Haus nach Ansicht der Cops die Anzahl der an den Folgen einer Gewalttat gestorbenen Leute höher ist als die Zahl der Geburten – hatten sich zufällig in einem Supermarkt aufgehalten, als eine Rotte von Jugendlichen hereinkam, sich einige Bierdosen schnappte und in einem Dodge Kombi abhaute. Die Sicherheitsbeamten hatten gemeint, sich als echte Cops aufspielen zu müssen, und eine Jagd auf die Burschen gestartet, der sich letzten Endes ein paar richtige Cops anschlossen. Abermals eine Bande von Bierdieben, nicht mehr und nicht weniger.
    Während der Jagd wußten die richtigen Cops weder, weshalb diese Jungen ursprünglich getürmt waren, noch wer sie waren. Die Verfolgung führte durch die Straßen von National City und dann in Richtung San Diego. Ein Cop aus National City führte draußen auf dem Highway 805 die wilde Jagd an. Ken Kelly, der sich der Meute inzwischen angeschlossen hatte, fand sich mit einemmal in seinen ehemaligen Jagdgründen in San Diego wieder, wenngleich sie bei hundert Meilen in der Stunde förmlich an ihm vorbeiflogen.
    Es war fast so wie am Abend zuvor. Es war verrückt. Es war Déjà-vu, eine merkwürdige Art einer Erinnerungstäuschung. Es war im Grunde unmöglich.
    In der Market Street machte Ken Kelly eine Gewaltbremsung, schrammte an einem Haltestellenschild vorbei und riß den Wagen nach links. Die Jagd fand momentan weiter südlich auf der Einundvierzigsten Straße statt. Ken Kelly blockierte mit seinem querstehenden Wagen die Straße, und im selben Moment, in dem er sich neben die Scheinwerfer stellte, tauchten sie auf! Wie am Abend zuvor. Oder war's am Abend zuvor? Oder war's ein Traum?
    Der Kombi war voll mit Jugendlichen. Der Kombi schlingerte von einer Straßenseite zur anderen. Ken Kelly zog seine 375er Magnum. Sie waren so nahe, daß er die Ziffern auf den Scheinwerfern lesen konnte. Er feuerte einen Schuß ab und wußte zuerst nicht, daß er es getan hatte. Der Kombi fuhr an ihm vorbei. Er feuerte noch zweimal und wußte dann zwar, daß es passiert war, hatte aber trotz der schweren Waffe überhaupt keinen Rückstoß gespürt.
    Der erste Schuß traf den Schriftzug DODGE und fetzte das E heraus. Der zweite Schuß traf den Wagen mehr links und weiter unten. Der dritte Schuß traf die Seite des Kombis, als er an Ken vorbeiraste.
    Schließlich blieb der Kombi stehen. Einer der Teenager im Kombi, ein sechzehnjähriger Junge, hatte sich zwischen der vorderen und hinteren Bank verkrochen gehabt. Das 375er Projektil durchschlug ihm den Kiefer und die Hand und zertrümmerte den Oberschenkel. Der Junge war der Vetter eines Police Sergeants. Die Hand blieb verkrüppelt, und sein Gesicht war für immer verunstaltet.
    Für Ken Kelly war das ganze Jahr 1982 in emotionaler Hinsicht die reine Achterbahn. Es gab eine lange und aufreibende Diskussion, ob man ihn wegen eines Verbrechens anklagen müsse. Letztlich entschloß sich der District Attorney, ihn nicht anzuklagen.
    Er verbrachte auf Anordnung seines Police Departments eine Menge Zeit mit einem Psychiater und berichtete ihm alles über die traumähnlichen Ereignisse des 24. Januar, die auf den Ereignissen des 23. Januar basierten, sich eigentlich gar nicht ereignet haben konnten und sich trotzdem ereignet hatten. Er berichtete über seine Zeit bei der BARF Squad, erzählte, was BARF bewirken sollte und dann doch nicht bewirkte, und es war alles sehr verwirrend.
    »Wir wollten lieber zwölfmal Ärger haben als von sechsen getragen werden!« sagte Ken Kelly. »Davon haben wir bei BARF dauernd geredet. Darum haben wir immer ganz schön zugeschlagen: mit Fäusten, Totschlägern, Kolben, was gerade zur Hand war. Bis so 'n Knabe tot war oder so tat, als ob er tot wäre, oder platt auf der Schnauze lag und sich bedingungslos ergeben hatte. Man verlangte ja von uns, daß wir Leute umlegen. Alle

Weitere Kostenlose Bücher