Die San-Diego-Mission
verlangten's. Vielleicht hat's ja keiner in dieser Form ausgesprochen, aber wir kamen ziemlich schnell dahinter, was Sache war.«
Irgendwie brachte Ken Kelly das Jahr hinter sich. Er hatte Angst, sein Kopf würde nicht mehr richtig ticken, fühlte sich aber allmählich besser. An einem Frühlingstag 1983 fühlte er sich dann plötzlich sehr schlecht. Erst dachte er, es sei die Grippe. Dann fühlte er sich noch schlechter. Er ging zum Arzt, und der stellte fest, daß sein Blutdruck etwa so hoch war wie bei einem Spieler der Baseballoberliga nach einem Match. Ken kriegte echte Angst. Ein Kardiologe untersuchte ihn und meinte, er sei physisch in bester Verfassung. Der Kardiologe empfahl Ken, einen Psychiater aufzusuchen. Man nahm an, er sei für den Polizeidienst nicht mehr geeignet.
Irgendwann am Abend fuhr Ken Kelly im Auto nach Hause. Als er am Radio herumfummelte, hörte er ein Lied. Das Lied hieß: Hit Me With Your Best Shot . Er meinte, es sei sicher ironisch zu verstehen. Er hörte dem Lied auf der Interstate 5 in Richtung Süden zu. Er hörte ihm zu auf dem ganzen Weg nach Chula Vista rein. In Chula Vista fing er plötzlich an zu weinen. Er konnte nicht mehr aufhören zu weinen. Er kam nach Hause, und er weinte immer noch.
Seine ältere Schwester und seine Frau Joyce versuchten alles, um ihn vom Weinen abzubringen, hatten damit aber keinen Erfolg. Wenig später weinten sie alle drei. Das Ganze dauerte so lange, bis er zu erschöpft war, um noch weinen zu können.
Den Barfern waren nach dem Ende ihres Experiments eine Menge Auszeichnungen zuteil geworden. Keineswegs nur solche von lokaler Bedeutung. Keineswegs nur die Auszeichnung für Manny in New York. Der Generalstaatsanwalt der Vereinigten Staaten von Nordamerika verlieh ihnen selbst dann noch eine Auszeichnung, nachdem die Regierung der Vereinigten Staaten von Nordamerika allem Anschein nach bereits beschlossen hatte, die Situation in den Canyons mit all den Morden, Vergewaltigungen und Raubüberfällen künftig einfach zu ignorieren. Offensichtlich war es das letzte Mal, daß das Experiment in den Medien groß gefeiert wurde.
Bei allen Preisverleihungszeremonien, Banketten und Partys glänzte eine Person durch Abwesenheit: der Schöpfer von BARF, Lieutenant Burl Richard Snider. Er wurde von den Rednern tatsächlich nicht mal erwähnt.
Sämtliche Barfer dagegen hatten Dick Snider wie eh und je ins Herz geschlossen, und sie wollten es durch eine Gedenktafel zum Ausdruck bringen. Sie wollten sie ihm auf der Riesenparty überreichen, die anläßlich der Auszeichnung des Generalstaatsanwalts stattfand. Ein Deputy Chief verweigerte dazu die Zustimmung. Wenngleich der Deputy Chief nie einen Fuß in die Canyons gesetzt hatte und im Umkreis der Southern Substation etwa so oft wie der Halleysche Komet gesehen worden war, wurde er als derjenige vorgestellt, der für das BARF-Experiment verantwortlich war. Der Deputy Chief stand auf und verbeugte sich, und die Leute klatschten wie wild.
Die Administration hatte Dick Snider nie mit besonders wohlgefälligen Augen angesehen – vor allem nicht wegen des ganzen Wirbels, den er veranstaltet hatte, um das Experiment in Gang zu bringen, und wegen seines dauernden Gequatsches, man müsse endlich was für die Grenzgänger tun. Das alles sprach ja viel mehr gegen als für diesen Lieutenant, der sich weigerte, ein richtiger Lieutenant zu sein, und es statt dessen vorzog, mit Eidechsen und Klapperschlangen durch die Canyons um die Wette zu kriechen. Und genaugenommen hatte die Administration völlig recht. Er faßte im mittleren Management nie so recht Fuß und war wohl nie ein guter Lieutenant. Er lernte es nie, Kompromisse zu schließen, seine Worte taktvoller zu wählen und Diskretion zu wahren.
Er hatte den publizistischen »Blitzkrieg« entfesselt, der die Aufmerksamkeit der Politiker geweckt und zur Gründung der BARF Squad geführt hatte. Und solange BARF »heiß« war, wagte keiner, an der Sache rumzumeckern. BARF hatte ein Eigenleben. Und genau das hatten all diese Inspectoren und Deputy Chiefs nie vergessen. Ebensowenig die Tatsache, daß sich Dick Snider nicht einmal nach der strikten Aufforderung, sich einen Maulkorb umzubinden, um politische Gegebenheiten gekümmert hatte. Ganoven hinter Gitter zu bringen, das war das einzige, was er konnte. Wahr und wahrhaftig, in den Ärschen der Administratoren und Bürokraten sind die Dick Sniders dieser Welt seit jeher schlimmer als Hämorrhoiden.
Der Verrat, den er zu
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