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Die San-Diego-Mission

Die San-Diego-Mission

Titel: Die San-Diego-Mission Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Wambaugh
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geweint und kam nie damit klar, daß er überhaupt nichts darstellte. Mir fiel die Veränderung auf, nachdem er sich schon einige Monate in diesen Bergen rumgetrieben hatte. Diese gemeinsamen Trinkereien machte er zwar immer noch nicht mit, aber er legte sich zum erstenmal ein paar kleine Machoallüren zu. Er glaubte, BARF sei für ihn endlich die Chance, jemand zu sein. Er änderte sich, und daraufhin gab's bei uns noch öfter Krach.«
    Wenngleich man zwar sehr lange darüber streiten könnte, ob Fred Gil sich vor dem Abend des 23. März tatsächlich Machoallüren zugelegt hatte oder nicht, hatte er nach diesem Abend todsicher keine mehr.
    An diesem Abend trieb sich das Ensemble, dem als vierter Mann Renee Camacho angehörte, bei Einbruch der Dämmerung etwa hundert Meter oberhalb des Deadman's Canyons herum. Die Zweitbesetzung, die aus Carlos Chacon, Joe Castillo, Ernie Salgado, Joe Vasquez und Fred Gil bestand, marschierte durch den Deadman's Canyon selbst. Robbie Hurt und Dick Snider gaben ihren Kollegen Deckung, wobei sich Robbie Hurt wieder mal die Frage stellte, wie lange er dieses Reservistendasein und all diese Nervosität und diesen Streß ohne die Entspannung, die die anderen dadurch hatten, daß hin und wieder was passierte, noch ertragen konnte. Dick Snider erklärte ihm mit bemerkenswerter Geduld, wie wichtig der Job sei und daß er jede Sekunde damit rechnen müsse, den anderen aus der Patsche zu helfen. Aber es war und blieb frustrierend.
    Die fünf Barfer der Zweitbesetzung saßen neben einem ausgetrockneten Flußbett, das knapp zwei Meter breit und höchstens einen Meter tief war. Ernie Salgado befand sich an einem Ende des Bachbetts, und Joe Castillo trug sein abgesägtes Schrotgewehr unter der Jacke. Die übrigen hockten nebeneinander, bis auf Carlos Chacon, der ihnen gegenüber auf der anderen Seite des Grabens saß und die Beine baumeln ließ. Es war nicht nur eine ruhige, sondern sogar eine ungewöhnlich ruhige Nacht. Es wehte kaum ein Lüftchen, und man hörte kaum mal das Klicken, mit dem sich Grenzgängerführer und Gangster im Dunklen verständigten.
    Auf der anderen Seite des kleinen Bachbetts wuchs ein riesiges Mesquitegebüsch. Die Natur hatte die Mesquitesträucher wie einen liegenden Büffel geformt. Öfter in solchen Nächten lungerten sie hier mitten im Gangsterland herum und lästerten über ihre Mitbarfer und gelegentlich auch mal über Manny Lopez, vor allem, wenn er nicht in der Nähe war. Big Ugly – der große, häßliche Joe Vasquez – war mit Abstand der Beste aller Scherzbolde. Als sie beispielsweise Joe Castillo und die Tatsache durchhechelten, daß Joe nicht unbedingt über den allerschnellsten Verstand verfügte, meinte er etwa: »Dem fehlt ne Kerze auf dem Kuchen«, oder: »Irgendwer hat dem ''n Rasterpunkt von der Luftaufnahme geklaut«. Und dann tutete todsicher noch ein anderer ins gleiche Horn: »Sicher, dem fehlt ein Ziegelstein in der Statik.«
    Und obgleich das alles wirklich nicht gerade umwerfend komisch war, lagen sie schließlich grunzend und gackernd unter dem vom Mondlicht überfluteten hohen Himmel und konnten bloß hoffen, daß die Gangster sie hier draußen in der Nacht nicht hören würden.
    Und dann sagte ein doch noch so ziemlich jung verheirateter Mann wie Carlos Chacon: »Wenn wir heute nacht noch in den Wing gehen, muß ich mir ne gute Story für meine Frau einfallen lassen.«
    Und irgendeiner sagte dann unweigerlich: »Die ist doch gar nicht zu Hause, du blöder Hund. Die U.S.S. Kittyhawk ist doch gerade im Hafen.«
    Und dann lagen vor lauter Lachen schließlich alle der Länge nach auf dem schmutzigen, lehmigen Wegboden oder zwischen den ausgetrockneten, abgefallenen Kakteenästen oder direkt in den Felsen und Kakteen. Leute, die unter einer so unerträglichen Anspannung stehen, finden sogar noch die allerblödesten Witze komisch.
    Hin und wieder saßen sie einfach bloß so an den vom Regen ausgewaschenen Berghängen und schauten dem Flug der Leuchtkäfer zu. Und sahen auf das Sternenlicht über Mexiko. Beobachteten die Punkte am mondhellen Himmel: Nachtfalken, immer auf der Jagd nach Beute.
    Manchmal, wenn sie sich's allzu sorglos gemütlich gemacht hatten, merkten sie, daß sie es sich mitten zwischen ein paar Skorpionen oder gelegentlich auch dicht neben einer Klapperschlange gemütlich gemacht hatten, die jedoch so lethargisch war, daß sie sich nicht mal die Mühe des Weggleitens machte, wenn nicht einer direkt in ihrem Nest gelandet

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