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Die San-Diego-Mission

Die San-Diego-Mission

Titel: Die San-Diego-Mission Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Wambaugh
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war – was Robbie Hurt mal widerfahren war, der dann fast einen Herzinfarkt gekriegt hätte.
    Manchmal lagen sie auf dem Rücken und lauschten den Stimmen, die irgendwo südlich der imaginären Linie traurige Lieder sangen. Jeder lief dann Gefahr, daß ihn diese sehnsüchtigen Klänge aus dem Elend der mexikanischen Stadt zum Weinen brachten, je nachdem, in welcher Stimmung er gerade war. Jeder mit Ausnahme von Manny Lopez, der todsicher gerade wieder überlegte, wie er Tempo, Tempo machen konnte. Dauernd auf der Jagd nach Action.
    Als sie an diesem Abend des 23. März an dem ausgetrockneten Bachbett saßen und die Beine baumeln ließen, war die Finsternis noch nicht ganz so samtschwarz wie sonst. Nach ihrem ganzen Gekicher war es mit einemmal derart ruhig, daß einer von ihnen den alten Fred Gil anmachte und sich erkundigte, ob er nicht mal wieder Lust habe, zu ihrer allseitigen Erbauung die Röhre auszuwischen. Schließlich fiel Fred Gil ja dauernd in die Scheiße, und wenn er wieder mal versehentlich in anderer Leute Exkremente getreten war oder sich mitten hineingesetzt hatte, hatte er beim Rauskommen noch nie wie eine Rose gerochen.
    Ernie Salgado hörte Schritte. Er sah, wie sich zwei Schemen dem riesigen, undurchdringlichen Busch näherten, der wie ein liegender Büffel aussah.
    Sämtliche Sträucher in den Canyons waren von Höhlen durchsetzt, weil sich die Leute auf ihrer Reise gen Norden regelmäßig hier einnisteten. Die beiden Gestalten blieben vor dem Büffelbusch stehen und kauerten sich in dessen Höhle, um sich die Gruppe schweigender Pollos, die auf der andere Seite des Bachbetts die Beine baumeln ließ, mal näher anzugucken. Eine der Gestalten wurde später als ein Heroinsüchtiger namens Morales identifiziert. Er war zweiundzwanzig, genauso alt wie Carlos Chacon. Und Carlos Chacon konnte, als er die Silhouette fixierte, als erster erkennen, daß der komische Knabe eine Pistole hatte.
    Die zweite Gestalt wurde später als ein Mann namens Madrid identifiziert, und er hatte ein Messer mit einer zwanzig Zentimeter langen Klinge. Carlos Chacon gab seinen Kollegen auf der anderen Seite des Bachbetts ein Zeichen. Er streckte seinen Zeigefinger wie eine Pistole aus, worauf natürlich sofort allen der Arsch auf Grundeis ging.
    Fast alle Barfer trugen zu dieser Zeit zwei Waffen. In einem Schulterholster hatte Carlos Chacon eine Smith & Wessen, und in der Kreuzgegend war ein Colt versteckt. Sehr vorsichtig versuchte er, an den Colt heranzukommen, aber der junge Mann mit der Pistole kam hinter dem Büffelgebüsch hervor, hielt ihnen die Pistole entgegen und sagte: »Hände hoch! Geld raus, oder ich knall euch ab!«
    Der zweite Gangster trug das Messer offen in der Hand, als er über das Bachbett sprang und hinter die am Boden kauernden Barfer trat. Ernie Salgado sagte zu ihm: »Wenn Sie mich nicht ans Geld ranlassen, kann ich's Ihnen auch nicht geben.« Beide Gangster stanken nach Müll.
    Das Ensemble hatte bis dahin noch nicht allzuviel Glück gehabt. Sie steckten in einem Graben oberhalb des Deadman's Canyons, und Manny Lopez maulte rum, weil es eine so friedliche Nacht wär und weil ihnen bei so wenig Grenzgängeraktivitäten wahrscheinlich keine Gangster über den Weg laufen würden. Renee Camacho erinnerte sich, daß Manny's Meckerei durch einen Krach unterbrochen wurde, den sie alle kannten: KA-PLOOM! Das Schrotgewehr! Und dann PLOOM PLOOM PLOOM PLOOM. Dann BOP BOP BOP BOP BOP BOP! Und dann wurde aus den dumpfen und helleren Explosionen ein einziger Lärm, der sich anhörte wie der Lärm eines Schlachtfelds.
    Alle rannten, verwirrt durch die vielen Echos der Schießerei, im Kreis herum, und Robbie Hurt und Dick Snider standen wieder mal total neben sich und kriegten Krämpfe und spürten, wie ihr Adrenalinspiegel in die Höhe schnellte, weil sie keine Ahnung hatten, was los war. Während dieses ganzen Getöses kam plötzlich eine schreiende Stimme aus den tragbaren Funkgeräten, eine sich überschlagende Stimme, von Störgeknatter unterbrochen.
    Dann brüllten Robbie Hurt und Dick Snider gleichzeitig in die Funkgeräte, und nach einer Ewigkeit hörten sie undeutlich die verstümmelte Nachricht: »Zwei sind getroffen! Zwei sind getroffen!«
    Und Dick Snider brüllte aus Leibeskräften: »Von uns? Sind zwei von uns getroffen?«
    »Verdächtige! Zwei Verdächtige sind getroffen!« schrie die Stimme.
    Gott sei Dank! Aber nun: »Zwei Verdächtige sind getroffen! Auch von uns! Zwei Verdächtige sind

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