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Die San-Diego-Mission

Die San-Diego-Mission

Titel: Die San-Diego-Mission Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Wambaugh
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Durchladen meinte.
    Er zielte mit seinem Schrotgewehr direkt auf den Bauch des Gangsters, der die Pistole hatte, und entfesselte einen wahren Feuerball.
    Dann klang es ihm in den Ohren wie eine einzige lange Explosion. Zuerst wie die einer automatischen Waffe, dann wie das Echo der Explosion. Und sofort stieg ihm auch dieser unverwechselbare Pulvergeruch in die Nase, der ihm sein Gehirn auszuräuchern schien. Er fühlte förmlich, wie sich das Pulver unter seiner Schädeldecke bemerkbar machte. Und er wurde von Splitterfragmenten und Druckwellen im Gesicht getroffen. Eine einzige lange Explosion.
    Carlos Chacon feuerte, bis seine Kanone leer war. Joe Vasquez feuerte, bis seine Kanone leer war. Joe Castillo feuerte seine Schrotladung ab, und Fred Gil, der dem Gangster mit der Pistole am nächsten stand, warf sich – entweder eine Mikrosekunde vor oder eine Mikrosekunde nach der ersten Detonation – auf ihn. Vielleicht lag es an Fred Gils jahrelanger militärischer Erfahrung, vielleicht auch nicht, daß er sich hinterher so klar und deutlich an den dringenden Wunsch erinnern konnte, den Gangster in Grund und Boden zu stampfen. Er tat's genau in dem Moment, in dem der Gangster von der schrecklichen Ladung getroffen wurde. Und dann wurde Fred Gil während dieses ganzen Geknatters weggeschleudert, und er lag auf dem Boden, und der Gangster lag schwer auf ihm, lag verkrümmt quer über seinen Beinen, und Fred Gil redete sich andauernd Mut zu: Ganz ruhig ganz ruhig ganz ruhig ganz ruhig. KRIEG UM HIMMELSWILLEN KEINEN SCHOCK!
    Weil er zwar begriffen hatte, daß er getroffen worden war, aber nicht wußte, wo.
    Und während sie immer noch schossen, glaubte Carlos Chacon auch in der Hand des zweiten Gangsters eine Waffe zu erkennen (man sieht hier draußen seltsame Dinge), obgleich sie später nie eine fanden und der zweite Gangster bloß noch abhaute und immer nur schrie: »Aye! Aye! Ayeeeee!«
    Und mitten in diesem ganzen Lärm schrie irgend jemand ununterbrochen: »Barf! Barf! Barf!«, und trotz des ohrenbetäubenden Getöses hörte Joe Castillo dann plötzlich klar und deutlich, wie Fred Gil brüllte: »Mich hat's erwischt! Mich hat's erwischt!«
    Gleich nach dem Abfeuern der Schrotladung hatte sich Joe Castillo den Gangster schnappen wollen, aber als er nach ihm griff, spürte er einen fürchterlichen Schlag gegen sein Handgelenk. Und dann verpaßte er dem Gangster, der auf der Erde lag, erst einmal einen Fußtritt. Und nachdem er ihn getreten hatte, hätte er am liebsten geheult, nicht etwa, weil ihm der Gangster leid tat, sondern weil er mit einemmal unerträgliche Schmerzen hatte, und er mußte sich setzen und sagte bloß noch: »Es tut weh! Es tut weh!«
    Und sie feuerten immer noch und brüllten ihr »Barf! Barf! Barf!« Und der zweite Gangster lief in heller Panik das Bachbett entlang, während Joe Vasquez und Carlos Chacon ihm nachjagten und hinter ihm herfeuerten. Und Carlos Chacon, sicher der Barfer mit der lebhaftesten Phantasie, erinnerte sich klar und deutlich daran, daß er bloß noch dachte: Diese Säue! Mach sie fertig, die verdammten Säue, sagte er sich. Mach sie fertig, die verdammten Säue. Und der zweite Gangster, der jünger war als der andere, schrie: »Aye! Aye! Ayeeeee!«, und fiel mit Gebrüll in die Kakteen.
    Dann war Carlos bei ihm und trampelte auf ihm herum, und Joe Vasquez trampelte ebenfalls auf ihm herum, und er brüllte immer noch. Und Joe Castillo schrie: »Es tut weh!«, und Fred Gil schrie: »Mich hat's erwischt! Mich hat's erwischt!«, und Ernie Salgado lief rüber zu Carlos und Joe Vasquez und brüllte: »Nun reicht's aber!«, weil sie allem Anschein nach alle miteinander den allerletzten Rest ihrer Selbstkontrolle verloren hatten.
    Joe Castillo lag platt auf dem Boden, mit durchschossener Hand. Das Geschoß hatte einen Nerv verletzt, der mehrere Finger mit Gefühl versorgte. Die langen, hübschen, nervösen Finger würden manche Gefühle nie mehr übermitteln können. Zuerst glaubte Joe Castillo, er hätte sich selbst angeschossen. Aber er fragte sich, ob das mit dem Schrotgewehr überhaupt möglich wär. Und wieso war ihm nicht die ganze Hand weggeblasen worden, falls er irgendwie wirklich mit einer Hand gefeuert und die andere vor die Mündung gehalten hatte? Und verdammt noch mal, es tat weh!
    Mittlerweile hatte das Ensemble sie endlich gefunden. Tony Puente kam herbeigerannt, kurzsichtig blinzelnd, weil er keine Brille aufhatte, und verlor in dem nach Abwasser stinkenden

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