Die San-Diego-Mission
BARF-Party einen Preis als bestangezogener Mann des Jahres.
Irgendwann aber fragte man sich, was zum Henker sich wohl der Maiskuchenverkäufer Chano B. Gomez junior gedacht haben mochte, als er das Ganze von seinem Aussichtspunkt oben auf dem Berg beobachtet hatte, und ob wenigstens er eine Ahnung hatte, was da draußen in diesen bescheuerten Canyons los war, durch die die Arschlöcher aus Amerika und Mexiko ihre Scheiße fließen ließen.
Fred Gil fing außerdem an, sich zu fragen, ob ein Mann an der Schwelle seiner mittleren Jahre für derartige Dinge nicht einfach zu alt war. Es war gar nicht mal die Befürchtung, daß er dem Job, den er hatte, physisch nicht mehr gewachsen war; das war allenfalls der eine Teil des Problems. Seine familiären Verhältnisse spotteten jeder Beschreibung. Fred Gil hatte sein Leben lang damit zu tun gehabt, sich irgend etwas zu beweisen. Ebenso wie einige andere seiner Kollegen stammt Fred Gil aus einer gestörten Familie und war von seinen Großeltern erzogen worden.
Sein Vater war beim amerikanischen Marinecorps gewesen und hatte an den blutigen Kämpfen um Iwo Jima teilgenommen, als die Marines die düsterste Zeit ihrer Geschichte erlebten und so gut wie keine Gefangenen machten. Er spielte und trank und verhöhnte seinen Sohn. Selbst als Fred Gil größer und stärker als sein Vater wurde, was dazu führte, daß er sich (in vielem ähnlich wie Carlos Chacon mit seinen Gewaltträumen) dazu hinreißen ließ, sich zu wehren, den Mann zusammenzuschlagen und dann an seinen Schuldgefühlen beinahe zu ersticken, weil's ja schließlich doch sein Vater war – selbst dann noch sagte ihm der Vater: »Du bist ja immer noch ein Muttersöhnchen. Du bist und bleibst ein Muttersöhnchen. Du kannst es beim Marinecorps nie schaffen.«
Fred Gil verabscheute seinen Vater, der ihn seelisch so mißhandelte. Natürlich heuerte Fred Gil beim United States Marine Corps an.
Er verbrachte sein halbes Leben damit, zu beweisen, daß er kein Muttersöhnchen war. Er wurde Judo-Champion des gesamten Marinecorps in der offenen Klasse, in der er gegen wahre Monster kämpfen mußte, wenngleich er kaum zweihundert Pfund wog. Und zum Schluß fand sich der junge Mann, der den größten Teil seines Lebens damit verbrachte, einem Mann, den er haßte, einiges zu beweisen, auf einem äußerst unangenehmen Übungsplatz in Südvietnam wieder.
Einmal war Fred Gils Kampfgruppe während der Monsunzeit in der Nähe von Da Nang von mobilen Vietkongeinheiten vorübergehend abgeschnitten worden. Sie saßen zu fünft auf einem Munitionslastwagen und waren felsenfest davon überzeugt, in Kürze tot oder gefangen zu sein, wobei sie sich eigentlich mehr das erstere wünschten.
Bevor sie letztlich mitsamt ihrer Ausrüstung doch noch gerettet wurden, sagte sich Fred Gil ununterbrochen: Wenn ich das überlebe, gehe ich sofort zu meinem Vater und spreche mit ihm. Über was eigentlich?
Er lebte immer in Panik vor diesem Mann. Vor lauter Panik konnte er nicht mal zeigen, daß auch er mal Angst hatte. Ehe er nach Vietnam kam, fragte er sich: Würde er schlappmachen, wie sein Vater es ihm prophezeit hatte? Würde er tapfer sein? Würde er, um Himmels willen, irgendwann doch mal zeigen, daß er Angst hatte?
In Vietnam hatte er Glück. Als er eines Tages zur Erholung nach Hongkong geschickt wurde, stürzte die vor ihm gestartete Maschine ab und versank im Meer. Und in der Zeit, in der er weg war, geriet seine Einheit in einen Riesenschlamassel und verlor mehrere Leute. Diese Art von Glück schien in seiner Familie an der Tagesordnung zu sein. Sein Vater hatte sowohl den Angriff auf Pearl Harbor als auch das Massaker von Iwo Jima überlebt. In Vietnam hatte sein jüngerer Bruder drei großkalibrige Geschosse in den Rücken verpaßt gekriegt und es nicht nur überlebt, sondern beim Marinecorps auch noch weiter Karriere gemacht.
Trotzdem jedoch war diese Canyonkriecherei überhaupt nicht mit dem Krieg zu vergleichen. Fred Gil hatte den Krieg hauptsächlich in Form von abgefeuerten und einschlagenden Raketen und Granaten erlebt. Feinde ohne Gesicht, manchmal ein paar Umrisse, Mündungsfeuer in einiger Entfernung. Nicht mehr. Es war schlimm genug, aber es berührte einen irgendwie nicht … persönlich. Er hatte das mit Ernie Salgado besprochen. Beide waren der Meinung, daß das hier draußen total anders war als im Krieg.
Wenn der Vietkong sie in Vietnam angegriffen hätte, meinte Fred Gil, wären sie sicher nicht direkt auf den Feind
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