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Die San-Diego-Mission

Die San-Diego-Mission

Titel: Die San-Diego-Mission Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Wambaugh
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getroffen, und zwei von uns sind getroffen!«
    Carlos Chacon sagte hinterher: »Ich konnte sehen, daß er eine Pistole in der Hand hatte. Er sah genau zu, als ich versuchte, an meine Kanone im Kreuz zu kommen. Ich dachte, jetzt ist es aus mit mir!«
    Carlos hatte sich gerade dazu durchgerungen, eine kugelsichere Weste zu tragen. Eine ganze Reihe von ihnen trug inzwischen kugelsichere Westen. Keiner hielt es noch für unmännlich, eine kugelsichere Weste zu tragen. Und nun erlebte Carlos Chacon dies alles wie einen Wachtraum. Es war beinahe so überdeutlich wie seine dauernden Träume von Gewalt, in denen die Angreifer seiner Schwester in den Magen stechen, so daß ihr Blut überall herumspritzt, und in denen er dem Angreifer das Messer wegreißt, ihm die Kehle aufschlitzt und sich über den Blutstrahl freut.
    Sein Wachtraum lief in Zeitlupe ab, ähnlich wie bei Manny Lopez bei seiner Schießerei mit dem Beamten der mexikanischen Einwanderungsbehörde. Carlos Chacon sah in seinem Zeitlupenwachtraum, wie aus der kleinen Pistole des Gangsters ein Geschoß abgefeuert wurde. Die Pistole zielte genau auf das Gesicht von Carlos Chacon, der ebenso wie alle anderen unvorbereitet und hilflos überrumpelt worden war, als er die Beine in das trockene Bachbett baumeln ließ. Carlos konnte sehen, wie ihm das Bleigeschoß ins Gesicht knallte. Er konnte sehen, wie ihm die Kugel den Kieferknochen zerschmetterte. Er beobachtete, wie ihm die Splitter aus dem Gesicht sprangen. Bleisplitter. Knochensplitter. Wahr und wahrhaftig, er hörte das zischende Geräusch, das entstand, als seine Knorpel zermalmt wurden. Er hörte genau, wie seine Knochen auseinanderplatzten. Sein Blut spritzte auf alle seine Kollegen. Bei alledem dachte er: Ich kann mir ja nur wünschen, daß nicht allzuviel kaputt ist.
    Carlos Chacon glaubte, daß die anderen, die ebenso wie der Gangster auf der gegenüberliegenden Seite des Bachbetts standen, einen winzigen Augenblick vor ihm zu schießen angefangen hatten, vermutlich deshalb, weil es ihn unheimlich fasziniert hatte, wie die Knorpel und Sehnen im eigenen Gesicht zerrissen und auf so blutige Weise zerfetzt wurden. Außerdem registrierte Carlos in dieser Situation, daß der andere Gangster eine mindestens einen halben Meter lange Machete trug. Es erwies sich, daß es nur ein Messer mit einer etwa zwanzig Zentimeter langen Klinge war, aber es stimmte schon, was Carlos hinterher sagte: »Man sieht merkwürdige Dinge da draußen im Deadman's Canyon.«
    Unter seinen zerlumpten Grenzgängerklamotten hielt Joe Castillo mit seinen langen, nervösen, hübschen Händen das abgesägte Schrotgewehr umklammert. Seit Joe Castillo zum allererstenmal neben seinem Mentor Manny Lopez gekauert und gesehen hatte, wie eine Kanone auf dessen Gesicht zielte, war er dazu übergegangen, sich doppelt und dreifach zu bewaffnen. Zusätzlich zum Schrotgewehr hatte er eine Kanone in einem Schulterholster. Er schleppte eine weitere Waffe in einem Hüftholster mit sich herum, und um das Maß vollzumachen, hatte er einen dritten Revolver in einem Holster am Fußknöchel. Rings um den Gürtel hatte er Kugelhalter, die mit Spezialmunition gefüllt waren. Zu allem Überfluß tauschte er gleich nach diesem Abend einen seiner Revolver gegen eine 9-Millimeter-Pistole aus, deren Magazin acht Schuß enthielt, während in der Kammer noch ein neuntes Geschoß steckte. Auf Joe Castillos Zügen erschien regelmäßig ein ziemlich verwirrtes Lächeln, wenn man ihn nach seinem Waffenarsenal fragte. Er gab dann regelmäßig ein Meisterstück an Untertreibung zum besten: »Doch, ich bin soweit ganz gut bewaffnet.«
    Wahrscheinlich war Joe Castillo derjenige, der mit seinem Schrotgewehr unter der Jacke als erster feuerte. Zuvor hatte er vor einem Angst: Carlos, der auf der anderen Bachbettseite saß, befand sich in seiner Schußlinie. Dann sah er, wie sich Carlos nach rechts bewegte. Dann roch er zum erstenmal, wie entsetzlich es aus diesem Bachbett stank, einer Rinne, in die hin und wieder ungefiltert die Abwässer von der mexikanischen Seite geleitet wurden.
    Er stand einfach auf, wurde sich klar darüber, daß das Gewehr nach dem Abfeuern durch die Kleidung wahrscheinlich Ladehemmung haben würde, wie er das schon auf dem Schießstand erlebt hatte, wurde sich ebenso klar darüber, daß er deshalb wahrscheinlich nur einen einzigen Schuß abfeuern konnte, und ging auf Nummer Sicher.
    »Es klang reichlich laut«, sagte er, womit er den kleinen Klick beim

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