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Die sanfte Hand des Todes

Die sanfte Hand des Todes

Titel: Die sanfte Hand des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Abbie Taylor
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Postfachadresse in Essex.
    Es handelt sich um ein Postfach mit Nachsendeservice. Selbst die Polizei wäre nur unter gewissen Umständen in der Lage, den Inhaber zu ermitteln. Ich glaube aber, das wollen wir beide nicht.
    Ich kommuniziere nur sehr ungern über E-Mail mit Ihnen. Ich freue mich, in Kürze brieflich von Ihnen zu hören.
    Mit freundlichen Grüßen,
    ein Gratulant
    Dawns Lippen wurden trocken. Fünftausend Pfund! An ein Postfach! Sie brauchte mehrere Anläufe, um die Nachricht bis zum Ende durchzulesen, denn die Worte verschwammen immer wieder vor ihren Augen. Sie atmete angestrengt; auf einmal hatte sie das Gefühl, nicht mehr genug Luft zu bekommen. Sie haben Ivy Walker sehr unauffällig umgebracht. Sie atmete aus. Was war hier los? Wer hatte das geschrieben?
    Eine Sekunde später fiel es ihr ein.
    Die Autopsie! Das Labor hatte das Kaliumchlorid in Mrs. Walkers Leiche gefunden. Der Pathologe war auf die Station gekommen, um Fragen zu stellen, und dann – die Spritze! Sie hatten den Lagerraum abgesucht und die benutzte Kaliumspritze
im Abfall gefunden. Mit ihren Fingerabdrücken darauf. Was hatte sie sich nur dabei gedacht? Hatte sie ihr Hirn an jenem Tag zu Hause gelassen?
    So wie heute. Denn einige Sekunden später fiel es ihr wieder ein. Es hatte gar keine Autopsie gegeben. Wer immer das geschrieben hatte, arbeitete nicht im Labor. Mrs. Walker war von der Station direkt in die Leichenhalle gebracht und zwei Tage nach ihrem Tod eingeäschert worden. Dawn hatte mit eigenen Augen gesehen, wie der Sarg hinter dem Vorhang verschwunden war.
    Aber wenn nicht ein Laborant, wer dann? Wer, zum Teufel, hatte ihr geschrieben? Noch einmal betrachtete Dawn den Mailabsender. Gratulant . Derselbe Name, mit dem die Nachricht unterzeichnet war. Sie kannte niemanden mit dieser E-Mail-Adresse. Ganz bestimmt war sie extra angelegt worden, um diese vergiftete kleine Nachricht zu versenden.
    Dawn schnappte nach Luft. Erpressung. Falsche Mailadressen. Da saß sie nun an einem ganz normalen Donnerstagnachmittag zwischen ihren Akten und Regalen und dem Forschungskonferenzposter an der Innenseite der Tür in ihrem Büro, alles war banal und gewöhnlich – und dann das. Diese unbegreifliche Nachricht auf dem Bildschirm. Draußen vor der Tür war ein Schlurfen zu hören und dann eine Frauenstimme.
    »Genau, Mrs. Potterton.« Das war Trish, die Physiotherapeutin. »Ein paar Schritte noch. Das machen Sie wirklich gut. Ihre Nichte wird begeistert sein.«
    Die Stimmen und das Schlurfen entfernten sich. Dawn blieb wie angewurzelt am Schreibtisch sitzen.
    Ihre Nichte.
    Mrs. Walkers Nichte! Das war’s. Die Frau war Dawn von Anfang an verdächtig vorgekommen. Sie hatte bei der Beerdigung mit ihr sprechen wollen, aber Heather Warmington
hatte in letzter Minute abgesagt. Dawn hatte ein schlechtes Gefühl dabei gehabt, und nun wusste sie wenigstens, warum. Das Telefonat. Sie konnte sich nicht mehr genau daran erinnern, aber hatte die Nichte nicht etwas in der Richtung gesagt? Hatte sie nicht gesagt, Mrs. Walker sei mit dem Tod besser bedient? Später dann, als Mrs. Walker gestorben war, musste Heather Warmington sich an das Gespräch erinnert und daraus geschlossen haben, dass Dawn aktiv geworden war. Sie hatte einen Anwalt aufgesucht, und der hatte ihr geraten … Dawn beugte sich vor und las die E-Mail noch einmal. Wie kam es, dass sie den Inhalt immer wieder vergaß?
    Aber da standen sie immer noch, die Worte, die Dawn wie ein Stein im Magen lagen. Nein, das war kein anwaltliches Schreiben. Sie haben Ivy Walker sehr unauffällig umgebracht. Dort stand es schwarz auf weiß. Wer immer diese Zeilen geschrieben hatte, war dabei gewesen. Er oder sie war dabei gewesen und hatte beobachtet, wie sie Mrs. Walker getötet hatte.
    Das Zimmer drehte sich. Dawn stützte die Stirn in die Hände. Gott. O Gott. Sie atmete in ihre Handflächen. Die Jalousie. Die verdammte kaputte Jalousie. Wieso hatte sie sich nicht die Mühe gemacht nachzusehen, ob sie allein war? Jeder, der am Einzelzimmer vorbeilief, hatte einen Platz in der ersten Reihe gehabt. Wie hatte sie nur so dumm sein und annehmen können, so eine Tat lasse sich mitten am Tag auf einer belebten Station ausführen, ohne bemerkt zu werden?
    Sie ließ die Hände sinken und schlang sich die Arme um den Körper, wiegte sich vor und zurück. Irgendetwas stimmte nicht. Irgendetwas passte nicht zusammen. Selbst wenn jemand durch das Fenster in der Tür hineingeschaut hätte, was hätte er

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