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Die sanfte Hand des Todes

Die sanfte Hand des Todes

Titel: Die sanfte Hand des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Abbie Taylor
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und gesünder, ihre Nase und Wangen von der Sonne gebräunt.
    »Ich war auf dem Land«, erklärte sie. »Vor ein paar Tagen. In Sussex. Mit einem Freund.«
    »Tja, sollten Sie öfter machen. Es steht Ihnen.«
    »Mach ich vielleicht.« Unsicher berührte Dawn ihr Gesicht. »Es scheint mir tatsächlich gutgetan zu haben. Ich fühle mich schon viel besser.«
    »Dann haben Sie keine Kopfschmerzen mehr?«, fragte Mandy, als sie sich dem Team näherten.
    »Welche Kopfschmerzen?«
    »Die Kopfschmerzen, die Ihnen neulich nachmittags so zu schaffen machten«, antwortete Mandy. »Als Sie früher gehen wollten.«
    »Ja. Nein. Das ist vorbei.«
    Mandy lächelte. »Gut so.«

     
    Jack Benson, der Schilddrüsenpatient, hatte die Intensivstation verlassen. Nachdem sie ihre Runde gedreht hatte, kam Dawn noch einmal zu ihm zurück. Er saß im Bett, trug einen frischen Pyjama mit Paisleymuster und schlürfte Tee. Die Wunde an seinem Hals war fast verheilt, die silberne Kette aus Frankensteinklammern saß an ihrem Platz. Sein Hals war wieder auf normalen Umfang abgeschwollen und ragte aus dem Pyjama, wie es sich gehörte. Der Patient atmete mühelos und entspannt.
    »Wie geht es Ihnen?«, fragte Dawn.
    »Ausgezeichnet, Schwester. Ich muss allerdings sagen, dass ich nicht verstehe, warum sich alle über das Krankenhausessen beschweren. Ich finde es einfach nur köstlich.«
    Seine Frau, die neben ihm am Bett saß, sagte: »Aber Jack, du wurdest tagelang künstlich ernährt. Deswegen hast du solch einen Appetit. Aber es ist ein gutes Zeichen, nicht wahr, Schwester?«
    »Ja, das ist es«, sagte Dawn. »Ein sehr gutes Zeichen.«
    »Man bekommt nicht gerade viel«, meinte Mr. Benson, den Mund voller Schinken und Kartoffelbrei. Er schob eine Hand unter das Tablett, um sich auf den Bauch zu klopfen, aber die Lücke war zu eng. Verschwörerisch senkte er die Stimme: »Könnte ich vielleicht noch etwas Toast bekommen?«
    Dawn spielte mit und murmelte leise: »Ich gehe mal nachsehen.«
    Im Kühlschrank in der Teeküche fand sie zwischen Joghurt und Beuteln mit künstlicher Nahrung einen Brotlaib. Sie nahm zwei Scheiben aus der Verpackung und steckte sie in den Toaster. Die Sonne schien herein und ließ die Wasserhähne, den Kühlschrankgriff und die Metallhenkel der Tabletts funkeln. Wieder musste Dawn an den Tag in Sussex denken. Obwohl sie sich am Ende ein wenig für ihr Verhalten
schämte, war die Erinnerung an jenen Nachmittag – die Felder, die Lämmer, die Glockenblumen, die den Boden unter den Bäumen bedeckt hatten wie bläulicher Dunst – wie eine Süßigkeit in ihrer Tasche, die nur darauf wartete, ausgepackt zu werden.
    Seit dem gemeinsamen Ausflug vor einer Woche hatte sie nichts mehr von Will gehört. Was zwischen ihnen geschehen war, hatte sich sehr subtil abgespielt, fast unmerklich. Hatte er es überhaupt bemerkt? Hoffentlich hatte sie seine Gefühle nicht verletzt. Es war richtig gewesen, einen Rückzieher zu machen. Im Nachhinein konnte sie sich leicht erklären, wie es überhaupt dazu gekommen war. Der wunderschöne Tag, die Sonne, die Landschaft, der rosige Himmel, all das hatte sie am Ende mit der Person Will verwechselt. Er war ein netter Mann, aber einfach zu seltsam. Diese merkwürdigen Redepausen und die lange Zeit, die er brauchte, um sich so weit zu entspannen, dass eine normale Unterhaltung möglich war. Wie sollte man mit einem so unsicheren und komplizierten Menschen eine Beziehung führen? Außerdem – wer hatte behauptet, dass er sie überhaupt mochte? Er gab sich so zurückhaltend und reserviert, war so schwer zu durchschauen. Dann und wann hatte sie einen flüchtigen Blick hinter seine Maske geworfen und mehr gesehen als den einfachen, langweiligen Mann, als der er sich präsentierte; aber wann immer sie dachte, Fortschritte mit ihm zu machen, ließ er das Visier wieder herunterklappen. Entweder hatte er sich bewusst dafür entschieden, sich nicht zu öffnen, oder es gab tatsächlich nichts zu entdecken.
    Dawn glaubte zu wissen, wo das Problem lag. Will trauerte immer noch um seine Verlobte. Er bildete sich vielleicht ein, über alles hinweg zu sein, aber das stimmte nicht. Als sie vor dem Schwarzen Hirschen gestanden hatten, wirkte er ebenso verletzlich wie sie. Der gemeinsame Spaziergang
durch die Felder hatte sie an ihre Kindheit erinnert. Sie hatten sich zufällig wiedergetroffen, Dawns Großmutter war gestorben und Wills Verlobte auch, und es war nur natürlich, dass sie sich auf der Suche nach Trost

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