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Die sanfte Hand des Todes

Die sanfte Hand des Todes

Titel: Die sanfte Hand des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Abbie Taylor
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schien zwei Quellen zu haben: ihren Mund und das Loch in ihrem Hals. Zu husten war ein ganz normaler Reflex, aber unangenehm für die Patientin und verstörend für alle Umstehenden. Dawn sah kurz in Trudys Richtung. Nach den letzten Erlebnissen mit ihr rechnete sie fest damit, dass die Schwesternschülerin grün im Gesicht wurde, vielleicht sogar zu wanken begann. Aber zu ihrer großen Überraschung wirkte Trudy vollkommen entspannt. Sie stand mit verschränkten Händen neben dem Wagen und verfolgte das Ganze mit Interesse.

    Dawn sagte zu Mrs. Ford: »Jetzt kommt die neue Kanüle. Möglicherweise empfinden Sie einen leichten Druck. Gleich ist alles am richtigen Platz – geschafft! Das war’s.«
    Mrs. Ford fing wieder zu husten an. Sie kniff die Augen zu. Tränen kullerten über ihre Wangen. Dawn drückte ihre Hand. »Jetzt müssen wir die neue Kanüle nur noch fixieren. Erholen Sie sich erst einmal, und später haben Sie sich eine Tasse Tee verdient.«
    Mrs. Ford, immer noch dunkelrot, hob in einer matten Geste den Daumen in die Höhe.
    In geschäftsmäßigem Ton sagte Dawn zu Elspeth: »Das lief reibungslos. Gut gemacht.«
    Elspeth erwiderte nichts, wirkte aber sehr zufrieden. Sie zog sich Kittel und Handschuhe aus und machte sich daran, den Wagen aufzuräumen. Trudy half ihr, sammelte Umverpackungen, Verbände und Fixierbänder ein und warf sie in den gelben Mülleimer. Sie wirkte sehr gefasst; Mrs. Fords Hustenattacke schien sie in keinerlei Hinsicht beeindruckt zu haben. Dawn schaute ihr nach, als Trudy den Wagen davonschob; aber schon war sie mit den Gedanken woanders. Nun, da Mrs. Ford die Prozedur überstanden hatte, kehrte Dawns Nervosität zurück. Sie konnte nicht bis zum Abend warten, den Inhalt der E-Mail zu erfahren. Sie musste sie sofort lesen.
    Dawn ging zum Umkleideraum und zog sich eine Jacke über die Uniform. Am Ende der Eingangshalle reichte die Warteschlange für den Laden der Heilsarmee fast bis an die Tür. Menschen im Bademantel saßen auf den Bänken am Brunnen, plauderten mit ihren Angehörigen oder lasen Zeitung. Andere standen auf der Treppe vor dem Haupteingang und sogen gierig an einer Zigarette, eine Hand immer am Infusionsständer. Dawn rannte an allen vorbei bergab. In der Nähe der Bushaltestelle, an der St. John’s Road, gab
es ein Internetcafé. Dawn hatte es im Vorbeigehen oft gesehen, ohne es wirklich bewusst wahrzunehmen. Jetzt, da sie es suchte, konnte sie es natürlich nicht finden. Sie lief den Gehsteig entlang und studierte die Schilder über den Ladeneingängen. Wie sich herausstellte, befand es sich weiter von der Bushaltestelle entfernt, als Dawn gedacht hatte. Das Café lag im Untergeschoss, ein fensterloser Keller mit einer Reihe von Computerarbeitsplätzen. Etwa die Hälfte war belegt, zumeist von Rucksacktouristen oder Teenagern, die auf Panzer ballerten.
    »Nummer fünf«, sagte der junge Mann hinter dem Tresen gelangweilt.
    Als sie vor dem Rechner saß und darauf wartete, dass die Seite sich aufbaute, hatte Dawn das Gefühl, alle inneren Organe würden von unten gegen das Zwerchfell drücken. Sie bekam schwer Luft. Gleich war es so weit … gleich … Ihre Gedanken überschlugen sich. Sie ging alle Möglichkeiten durch: Das Geld war nicht angekommen. Das Geld war angekommen, und der Erpresser verlangte mehr. Wenigstens würde sie es jetzt erfahren. Das Warten war vorbei, und … O Gott! O Gott! Da war die Mail. Dawn klickte sie an und klammerte sich an der Tischkante fest.
    Liebe Oberschwester,
    vielen Dank für das Geschenk. Ich freue mich, dass wir uns einig geworden sind.
    Das Geld war angekommen. Oh, Gott sei Dank! Gott sei Dank. Die Buchstaben tanzten auf dem Bildschirm. Dawn blinzelte, um sie anzuhalten, atmete tief ein und las weiter.
    Sie erwähnten in Ihrem Brief, dass Sie nicht mehr Geld haben. Dafür habe ich Verständnis. Da es sich jedoch um
eine überaus heikle Angelegenheit handelt, würde es Ihnen doch sicher viel besser gehen, wenn mein Stillschweigen garantiert wäre. Deswegen habe ich mir einen Gefallen überlegt, den Sie mir erweisen können. Ich möchte, dass Sie mir zehn Ampullen Morphiumsulfat schicken. Die Postadresse ist dieselbe geblieben. Das Morphium sollte binnen einer Woche hier eintreffen. Wie Sie es beschaffen, überlasse ich Ihnen. Es wird nicht einfach sein, aber ich weiß, Sie werden eine Lösung finden. Sie sind eine einflussreiche, mächtige Oberschwester. Das Leben anderer Menschen liegt in Ihren Händen.
    Mit besten

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