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Die sanfte Hand des Todes

Die sanfte Hand des Todes

Titel: Die sanfte Hand des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Abbie Taylor
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Kabine auf dem Boden und hatte die Arme auf den Toilettensitz gelegt. Der Saum ihres Nachthemds war mit der übelriechenden Flüssigkeit bespritzt.
    »Ich habe es nicht mehr geschafft.« Ihre Augen waren blutunterlaufen. »Es tut mir leid.«
    Dawn berührte ihre Schulter. »Ist schon gut. Ruhen Sie sich kurz aus.« Der Zustand der jungen Frau entsetzte sie. Sie musste hier weg, wenn auch nicht sofort. Sie war zu erschöpft und zu schwach, um zu stehen.
    Danielle begann zu schluchzen. »Sehen Sie mich an. Ich bin ekelhaft.«
    »Nein, das sind Sie nicht.«
    »Doch!«
    Dawn schwieg. Danielle ließ den Kopf auf die Arme sinken und weinte. »Was ist los mit mir? Was ist bloß los? Ich hasse das.«
    »Pssst. Wir werden Ihnen helfen.« Dawn strich Danielle eine klebrige Haarsträhne aus dem Gesicht.
    »Wie? Wie wollen Sie mir helfen? Das kann niemand. Dieser schreckliche Arzt … der seltsame Typ …«
    »Dr. Coulton?«
    »Wie auch immer.« Danielle winkte ab. »Ich nenne ihn ›Dr. Tod‹. Fehlten nur noch der schwarze Umhang und die Sichel. Er sagt, es ist alles meine Schuld, weil ich die Steroide nicht eingenommen habe. Ich habe ihm gesagt, dass ich bereit bin, sie zu schlucken, dass ich sie aber nicht im Magen behalten kann. Ich wollte es ihm erklären, aber er hat mir nicht geglaubt. Er hat gemeint, ich würde mir keine Mühe geben, aber das stimmt nicht. Es klappt einfach nicht, ich erbreche sie immer wieder …«
    Sie konnte nicht weitersprechen, weil sie von Schluchzern geschüttelt wurde. Dawn wartete ab.

    »Was hat Dr. … äh … Coulton Ihnen über die Operation erzählt?«
    »Er hat gesagt, eine Operation sei meine einzige Chance. Aber ich möchte nicht operiert werden.«
    »Warum nicht?«
    »Weil … weil ich keine Zeit habe. Ich muss arbeiten. Ich habe noch eine Prüfung abzulegen …«
    »Ist das wirklich der Grund?«
    Das Tropfen eines Wasserhahns hallte durch den Waschraum.
    »Wirklich?«, fragte Dawn sanft.
    Danielle weinte. »Ich habe solche Angst, Schwester. Ich habe Angst zu sterben.«
    Ihre Wut war verflogen und nichts mehr übrig als Verzweiflung. Danielles Abwehrmechanismen versagten, ihre Arroganz war dahin. Sie war ein verängstigtes Kind, so wie alle schwerkranken Patienten. Dawn kniete sich in die braune Pfütze, um Danielle zu umarmen.
    »Sie werden nicht sterben«, sagte sie.
    Danielle klammerte sich an ihr fest, wie sie es wahrscheinlich zuletzt als kleines Mädchen getan hatte. Sie war es gewohnt, ihr Leben unter Kontrolle zu haben, aber nun schien ihr alles entglitten zu sein. Sie war dabei, eine schmerzliche Lektion zu lernen: Egal, wie viel man hatte – es wurde wertlos, wenn man seine Gesundheit verlor. Dawn hielt sie im Arm, strich ihr die Haarsträhnen aus der Stirn.
    Nach einer Weile schniefte Danielle.
    »Falls ich mich operieren lasse«, sagte sie. »Was nicht heißen soll«, fügte sie wütend hinzu, »dass es so kommt.«
    »Natürlich nicht«, sagte Dawn.
    Danielle schniefte noch einmal. »Würden Sie sich um mich kümmern? Würden Sie da sein?«
    »Ja, ich werde da sein.«

    Es war ein Privileg, das Dawn sich schwer erarbeitet hatte. Die erschöpfte junge Frau in ihrem Arm, der überwundene Tiefpunkt. Sogar der scharfe Geruch nach Kot und Erbrochenem. Dawn biss die Zähne zusammen. Sie wurde hier gebraucht. Und sie brauchte das Krankenhaus. Und das alles sollte sie verlieren? Ihr mochte ein Fehler unterlaufen sein, aber sie hatte aus reiner Menschenliebe und aus Mitleid gehandelt. Anders als der »Gratulant«, der von Gehässigkeit, Gier und Selbstsucht getrieben wurde.
    Sie riss ein Stück Klopapier von der Rolle ab und gab es der jungen Frau. Danielle putzte sich die Nase.
    »Geht es Ihnen besser?«, fragte Dawn.
    Danielle nickte. Sie sah sehr müde aus. Ihre Arme wirkten wie bleiche Stricke, viel zu schwach und dünn für eine Person ihrer Größe.
    »Kommen Sie«, sagte Dawn und zog sie auf die Beine, »ich bringe Sie ins Bett zurück.«
    Hinter dem Vorhang half Dawn Danielle aus der verschmutzten Kleidung und zog ihr ein frisches Nachthemd an. Sie rubbelte Danielles Haar mit einem Handtuch trocken, so gut es ging, und half ihr ins Bett.
    »Ich werde den Arzt bitten, einen Infusionszugang zu legen«, erklärte sie. »Sie brauchen Flüssigkeit.«
    Sie hängte das »Außer Betrieb«-Schild an den Waschraum und rief den Hausmeister an. Dann eilte sie zum Umkleideraum, um ihre fleckige Uniform loszuwerden. Vor sich auf dem Korridor entdeckte sie Dr.

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