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Die sanfte Hand des Todes

Die sanfte Hand des Todes

Titel: Die sanfte Hand des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Abbie Taylor
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hätte ihr beigestanden. Ebenso die anderen Schwestern. Claudia Lynch. Ein zwielichtiger, arroganter Einzelgänger wie Dr. Coulton hätte keine Chance gehabt.
    Ihr Gesicht brannte.
    Dr. Coulton mochte keine Beweise gehabt haben, als er die erste E-Mail schrieb; aber mittlerweile besaß er welche. Schließlich hatte sie ihm fünftausend Pfund gesandt. Sie hatte Morphium gestohlen und ihm geschickt. Das kam einem Schuldeingeständnis gleich; genausogut hätte sie eine schriftliche Beichte ablegen können.
    Wieder das Brausen in den Ohren. Jetzt verstand sie, warum er so wenig Morphium verlangt hatte. Er hatte sich davon überzeugen wollen, dass sie in der Lage war, einen
Diebstahl zu begehen, dass sie vor nichts haltmachte. Das Morphium an sich hatte ihn nicht interessiert. Vermutlich nicht einmal das Geld. Er wollte etwas anderes, von Anfang an. Er hatte ihr eine simple Falle gestellt, und sie war bllind hineingetappt.
    Sie konnte sich gerade noch rechtzeitig ins Badezimmer schleppen. Das Erbrochene spritzte in die Toilettenschüssel. Dawn hielt sich den Leib. Säuerlicher Weingeruch stieg aus dem Becken auf. Dawn übergab sich noch einmal.
    Als nichts mehr herauskam, klappte sie den Klodeckel zu und setzte sich darauf. Ihr war eiskalt. Trotzdem fühlten sich ihre Achseln schweißnass und ihre Hände klamm an. Nun gut. Also schön. Keine Polizei. Aber wenn sie nicht zur Polizei gehen konnte, blieb ihr nichts anderes übrig, als die Mail zu ignorieren. Hatte sie es nicht von Anfang an so halten wollen? Hatte sie sich nicht vorgenommen, auf keine Forderungen mehr einzugehen, weil der Erpresser inzwischen genauso viel zu verlieren hatte wie sie? Die Mail war schockierend, aber an den Umständen änderte sie nichts.
    Glauben Sie mir, Ihre Methode ist das Beste für ihn.
    Sie drückte sich eine Faust an den Mund. Was sollte das bedeuten? Dass man Mr. F auf anderem Weg ermorden würde, sollte sie sich weigern? Auf grausamem Weg? Nein, das konnte sie nicht ignorieren. Unmöglich. Ein Arzt, der derlei Mails verfasste, hatte den Verstand verloren. Er stellte eine Gefahr für die Öffentlichkeit dar. Sie konnte nicht einfach herumsitzen und zuschauen, wie er einen Menschen umbrachte. Sie musste zur Polizei gehen. Es ging nicht anders.
    Aber das Geld! Das Morphium! Wenn sie Dr. Coulton anzeigte, verlor sie alles. Stöhnend schlang Dawn sich die Arme um die Knie. Sie würgte, aber nichts kam heraus. Sie legte die Stirn an den Spiegel. Die Kälte beruhigte sie, half ihr zu denken.

    Mr. F würde also innerhalb der nächsten Wochen ins St. Iberius eingeliefert. Wenn sie nicht zur Polizei gehen und die Mail genauso wenig ignorieren konnte, blieb ihr nur eins. Als Oberschwester mit umfassendem Verantwortungsbereich hatte sie Zugriff auf sämtliche Patientendaten. Irgendwann würde Mr. F auf einer Liste auftauchen. Wer auch immer er war, wo immer er sich gerade aufhielt – sie musste ihn finden. Sie musste ihn ausfindig machen und ihn warnen.
     
    Mr. F, das war nicht viel an Information. Kein Vorname, kein Geburtsdatum. Keine Hinweise auf die Art seiner Erkrankung und auf die Station, in die er eingeliefert werden sollte. Aber vielleicht reichte es zu wissen, dass sein Nachname mit einem F anfing.
    Während Dawn in ihre Uniform schlüpfte, ging sie im Kopf ihre Möglichkeiten durch. Es war halb zwölf, und ihre Schicht begann erst um neun, aber wenn sie jetzt schon in die Klinik fuhr, konnte sie den Nachmittag ungestört in ihrem Büro am Rechner verbringen.
    »Sorry, Milly«, sagte sie, als sie ihre Jacke überzog und der Hund daraufhin freudig aufsprang. »Wir können jetzt nicht spazieren gehen. Ich muss zur Arbeit.«
    Milly bellte, drehte an der Tür Kreise. Sieh doch! Es geht mir gut! Es geht mir viel besser als gestern! Aber es nützte nichts. Dawn nahm ein paar Hundekuchen und legte sie draußen auf die Verandatreppe, zusammen mit zwei Wasserschüsseln, immerhin würde sie erst am nächsten Tag nach Hause kommen. Milly fing zu jaulen an, denn sie kannte die Zeichen. Dawn fühlte sich schuldig. Der Hund würde ziemlich lange allein bleiben, nicht bloß für einen Tag, sondern auch die ganze Nacht lang. Sie kniete neben Milly nieder und kraulte ihre Ohren, eine vertraute Geste, die sie beide liebten.

    »Morgen unternehmen wir was Schönes«, sagte sie, »versprochen.«
    Milly schaute sie an, spitzte die Ohren, legte den Kopf schief. Die Liebe und das Vertrauen in ihren Augen rührten sie. Egal, was in Dawns Leben schieflief,

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