Die Satanischen Verse
mit einem Kn all hochzugehen, »Knallfrösche« nannte.
Nach Hanuman gab es für Gibril kein Halten mehr, und sein phänomenaler Erfolg ve rtiefte seinen Glauben an einen Schutzengel. Aber er führte auch zu einer eher bedauerlichen Entwicklung.
(Ich sehe schon, dass ich doch die Sache mit der armen Rekha ausplaudern muss .)
Noch bevor er den unechten Kopf mit dem falschen Schwanz vertauschte, hatte er bei Frauen eine unwiderstehliche Attraktivität erworben. Der verführerische Reiz seines Ruhms war so groß geworden, dass ihn mehrere dieser jungen Damen baten, bei der Liebe doch die Ganesh-Maske aufzubehalten, aber aus Respekt vor der Würde des Gottes weigerte er sich.
Infolge der Unschuld, in der er aufgewachsen war, konnte er damals nicht zwischen Qualität und Quantität unterscheiden, und er hatte das Bedürfnis, Versäumtes nachzuholen. Er hatte so viele Bettgenossinnen, dass es nichts Ungewöhnliches war, wenn er ihre Namen bereits vergessen hatte, noch bevor sie aus dem Zimmer waren. Er wurde nicht nur zu einem Schürzenjäger der schlimmsten Sorte, sondern lernte auch die Kunst der Verstellung, denn ein Mann, der Götter darstellte, musste über jeden Tadel erhaben sein. So geschickt verheimlichte er sein skandalöses, ausschweifendes Leben, dass sein alter Gönner, Babasaheb Mhatre, ihn ein Jahrzehnt, nachdem er einen jungen Dabbawalla in die Welt der Illusion, des Schwarzgeldes und der Lust hinausgeschickt hatte, auf dem Totenbett bat, sich zu verheiraten, zum Beweis, dass er ein Mann sei. »Herrgott noch mal«, sprach der Babasaheb, »als ich damals sagte, du sollst schwul werden, hab’ ich doch nicht im Traum geglaubt, dass du das ernst nehmen würdest, schließlich hat der Respekt vor dem Alter seine Grenzen.« Gibril hob die Hände und schwor, dass er nichts derart Schändliches sei und dass er, wenn ihm das richtige Mädchen über den Weg laufe, natürlich bereitwillig Hochzeit feiern würde. »Worauf wartest du? Auf eine Göttin? Greta Garbo, Gracekali oder wen?« rief der alte Mann und spuckte Blut, aber Gibril verließ ihn mit einem rätselhaften Lächeln auf den Lippen, das ihm zu sterben erlaubte, ohne dass seine Seele gänzlich Frieden gefunden hätte.
Der Lawine von Sex, die Gibril Farishta überrollt hatte, war es zuzuschreiben, dass sein größtes Talent so tief begraben wurde, dass es leicht für immer hätte verloren gehen können, nämlich sein Talent zu echter, tiefer, rückhaltloser Liebe, der seltenen und zarten Gabe, die er nie hatte entfalten können. Als seine Krankheit ausbrach, hatte er die Pein nahezu vergessen, die er wegen seiner Sehnsucht nach Liebe empfunden hatte und die wie ein Messer in seinem Fleisch stak. Jetzt, am Ende jeder durchturnten Nacht, schlief er tief und fest, als wäre er nie von Traumfrauen gequält worden, als hätte er nie die Hoffnung gehegt, sein Herz zu verlieren.
»Dein Problem«, sagte Rekha Merchant, als sie in den Wolken Gestalt annahm, »besteht darin, dass alle dir stets vergeben haben. Gott allein weiß, warum, aber du bist immer mit heiler Haut davongekommen, sogar Mord hast du dir leisten können. Niemand hat dich für das, was du getan hast, je zur Verantwortung gezogen.« Dem hatte er nichts entgegenzusetzen. »Gottesgeschenk«, schrie sie ihn an,
»keine Ahnung, was du geglaubt hast, woher du kommst, aus der Gosse kommst du, wer weiß, was für Krankheiten du angeschleppt hast.«
Aber so waren die Frauen eben, dachte er damals, sie waren die Gefäße, in die er sich ergießen konnte, und wenn er weiterzog, dann sahen sie ein, dass er seiner Natur gemäß handelte, und vergaben ihm. Und es stimmte, dass niemand sich über sein Fortgehen beklagte, über seine tausend und eine Gedankenlosigkeit, wie viele Abtreibungen, fragte Rekha zwischen den Wolken, wie viele gebrochene Herzen. In all den Jahren war er der Nutznießer der grenzenlosen Großzügigkeit der Frauen, aber er war auch ihr Opfer, denn ihre Vergebung ermöglichte die tiefste und süßeste aller Verderbtheiten, nämlich die Vorstellung, dass er kein Unrecht beging.
Rekha: Sie trat in sein Leben, als er das Penthouse in Everest-Vilas kaufte und sie sich erbötig machte, ihm in ihrer Eigenschaft als Nachbarin und Geschäftsfrau ihre Teppiche und Antiquitäten zu zeigen. Ihr Mann war auf einem internationalen Kongr ess von Kugellagerfabrikanten in Göteborg, Schweden, und während seiner Abwesenheit lud sie Gibril in ihre Wohnung ein, die ausgestattet war mit steinernem
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