Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Satanischen Verse

Die Satanischen Verse

Titel: Die Satanischen Verse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Salman Rushdie
Vom Netzwerk:
Gitterwerk aus Jaisalmar, holzgeschnitztem Geländer aus Kerala-Palästen und einer steinernen Mogul-Chhatri oder Kuppel, die in einen kleinen sprudelnden Pool umgewandelt worden war; während sie ihm französis chen Champagner einschenkte, lehnte sie sich gegen Marmorwände und spürte die kühlen Gesteinsadern in ihrem Rücken. Als er am Champagner nippte, zog sie ihn auf, zweifellos sollten Götter keinen Alkohol zu sich nehmen, und er antwortete mit einem Satz, den er einmal in einem Interview mit dem Aga Khan gelesen hatte, ach, wissen Sie, Champagner ist das nur nach außen hin, sobald er meine Lippen berührt, verwandelt er sich in Wasser. Danach dauerte es nicht lange, bis sie seine Lippen berührte und in seinen Armen dahinschmolz. Als ihre Kinder mit der Ayah aus der Schule kamen, war sie wieder tadellos gekleidet und frisiert, saß mit ihm im Salon und verriet ihm die Geheimnisse des Teppichhandels, gestand, dass Kunstseide nichts mit Kunst, sondern mit Künstlichkeit zu tun habe, und riet ihm, sich nicht von ihrer Broschüre täuschen zu lassen, in der ein Teppich angepriesen wurde, dessen Wolle vom Hals junger Lämmer stammte, was, müssen Sie wissen, nichts anderes zu bedeuten hat als minderwertige Wolle, Werbung, was soll man machen, so ist es eben.
    Er liebte sie nicht, war ihr nicht treu, vergaß ihren Geburtstag, rief sie nicht an, kreuzte bei ihr auf, wenn es infolge der Anwesenheit von Dinnergästen aus der Welt des Kugellagers äußerst ungelegen war, und wie alle anderen verzieh sie ihm.
    Aber ihre Vergebung war nicht die stumme, duckmäuserische Nachsicht, die die anderen mit ihm übten. Rekha führte sich auf wie eine Wahnsinnige, machte ihm die Hölle heiß, sie brüllte ihn an und verfluchte ihn als nichtsnutzigen Lafanga und Haramzada und Salah, und - in extremis - zieh sie ihn sogar der unmöglichen Tat, seine eigene Schwester zu vögeln, die er gar nicht hatte. Sie schonte ihn nicht, beschuldigte ihn, ein oberflächliches Geschöpf zu sein, wie eine Filmleinwand, und dann verzieh sie ihm do ch und erlaubte ihm, ihre Bluse aufzuknöpfen. Gibril konnte der theatralischen Vergebung Rekha Merchants nicht widerstehen, die ihn umso mehr rührte, als ihre eigene Position nicht makellos war, das heißt, wegen ihrer Untreue gegenüber dem Kugellagerkönig; Gibril überging dies taktvoll und nahm die verbalen Prügel wie ein Mann auf sich. Während die Begnadigungen der anderen Frauen ihn kaltließen und er sie in dem Augenblick vergaß, da sie geäußert wurden, kam er immer wieder zu Rekha zurück, damit sie ihn beschimpfte und dann tröstete, wie nur sie es verstand.
    Dann wäre er fast gestorben.
    Er filmte in Kanya Kumari, stand auf der äußersten Spitze Asiens und drehte eine Kampfszene auf Kap Komorin, an der Stelle, wo wahrhaftig drei Ozeane ineinanderzutosen scheinen.
    Gerade als drei Wellenberge aus dem Westen Osten Süden anrollten und zu einem gewaltigen Applaus von Wasserhänden zusammenbrandeten, erhielt Gibril einen Faustschlag auf die Kinnlade, perfekt getimt, kippte auf der Stelle um und fiel nach hinten in tri-ozeanische Gischt. Er stand nicht wieder auf.
    Zunächst beschuldigte jeder den hünenhaften englischen Stuntman Eustace Brown, der ihm den Hieb versetzt hatte.
    Dieser protestierte heftig. War er nicht derjenige, der in vielen theologischen Filmen den Gegenspieler von Premierminister N.T. Rama Rao gemimt hatte? Hatte er nicht die Kunst perfektioniert, den alten Mann im Zweikampf gut aussehen zu lassen, ohne ihm weh zu tun? Hatte er sich je darüber beklagt, dass NTR seine Schläge nie nur vortäuschte, so dass er, Eustace, am Ende unweigerlich am ganzen Körper grün und blau war, dumm und dämlich geschlagen von einem kleinen alten Kerl, den er zum Gabelfrühstück hätte verspeisen können, aufs Brot gestrichen, und hatte er jemals, auch nur ein einziges Mal, seine Geduld verloren? Na also. Wie konnte dann irgendjemand glauben, er würde dem unsterblichen Gibril auch nur ein Haar krümmen? Sie feuerten ihn trotzdem, und die Polizei brachte ihn für alle Fälle hinter Schloss und Riegel.
    Aber es war nicht der Faustschlag, der Gibril niedergestreckt hatte. Nachdem der Star von einem eigens für diesen Zweck bereitgestellten Flugzeug der Luftwaffe in das Breach-Candy-Krankenhaus nach Bombay geflogen worden war, nachdem unzählige Untersuchungen nahezu nichts ergeben hatten und während er bewusstlos dalag, im Sterben, mit einem Blutbild, das von den normalen fünfzehn auf

Weitere Kostenlose Bücher