Die Satanswelt
Wasser, die Schatten von U-Booten glitten dahin, und von der Fabrik, die Seetang in Gewürze umwandelte, wehten appetitliche Düfte herüber. Aber die schmutzige Arbeit wurde getarnt durch Hängegärten, Läden, Parks, Schulen und Erholungsanlagen. Wenige Sportboote kreuzten heute auf dem Wasser; die See war unruhig, auch wenn man das bei den superstabilisierten Barken nicht ohne weiteres feststellen konnte.
Van Rijn lehnte sich zurück. Er trug nichts außer einem Sarong und einer Blütengirlande. Wenn sich die Arbeit schon nicht umgehen ließ, wollte er so bequem wie möglich leiden. »Anfangen!« grollte er. Die Maschinen begannen zu rattern, spuckten Daten aus, Berechnungen, Schätzwerte, Endsummen und Vorschläge. Der erste Anruf kam, von einem ausgemergelten erschöpften Mann, der zehn Parsek entfernt eben einem Krieg entronnen war. Van Rijn hörte sich seinen Bericht wortlos an. Gleichzeitig entströmte der Lautsprecheranlage Mozarts Achte Sinfonie; eine spärliche bekleidete Schöne holte Bier; eine andere zündete die Trichinopolis-Zigarre ihres Herrn und Meisters an; eine dritte stellte ein Tablett mit Appetithappen vor ihm ab, falls ihn der Hunger übermannen sollte. Sie kam unvorsichtig nahe, und er holte sie mit einem Gorilla-Arm zu sich heran. Kichernd fuhr sie mit den Fingern durch die fettigen schwarzen Locken, die ihm bis auf die Schultern fielen.
Als nächster zeigte sich auf dem Bildschirm ein Nichthumanoide. Seine Sprache schien in der Hauptsache aus Schnalzern und Pfiffen zu bestehen, aber van Rijn verstand ihn und antwortete sogar. Als das Gespräch beendet war, tauchte er für eine Weile in seinem riesigen Bierkrug unter. Dann meinte er mit gerunzelter Stirn: »Verdammt noch mal, der Kerl ist tüchtig, auch wenn mir das nur schwer über die Lippen geht. Wir machen ihn zum Sektorboß, ja?«
»Ich konnte der Diskussion nicht folgen«, entgegnete sein Sekretär. »Wie viele Sprachen beherrschen Sie eigentlich, Sir?«
»Dreiundzwanzig schlecht. Zehn bis fünfzehn gut. Anglisch am besten.« Van Rijn entließ das Mädchen, das sein Haar kraulte, mit einem derben, aber herzlich gemeinten Klaps. »So, was kommt nun?«
»Eine Änderung der Tagesordnung, Sir. Direktanruf, Dringlichkeitsstufe zwei.«
»So. Soso.« Van Rijn kratzte ausgiebig seine behaarte Brust, griff nach einem Sandwich und verschlang es. »Stell die Verbindung her!« Er schwemmte den Happen mit einem halben Liter Bier hinunter.
Der Bildschirm flimmerte. Die Übertragung war nicht gerade perfekt, da der Strahl von einem Raumschiff aus die Atmosphäre durchdrang und obendrein auf der Relaisstation erst entzerrt werden mußte. Van Rijn erkannte den Kontrollraum seines Pionierschiffes Tausendsassa, Chee Lan im Vordergrund und dicht hinter ihr Adzel. »Habt ihr Schwierigkeiten?« begrüßte er sie sanftmütig.
Während die elektromagnetische Strahlung die Strecke überbrückte, entstand eine kurze, aber deutlich erkennbare Pause. »Sieht so aus«, entgegnete Adzel. »Und wir können nicht einmal Abhilfe schaffen. Ich gäbe viel darum, wenn diese Maschinen und Lakaien, hinter denen Sie sich verschanzen, uns schon früher mit Ihnen verbunden hätten.«
»Laß mich reden«, unterbrach ihn Chee. »Dein Anlauf ist zu lang.« Sie wandte sich an van Rijn und berichtete von der sonderbaren Einladung, die Falkayn bei seinem Serendipity- Besuch von Thea Beidaniel erhalten hatte. »Das war vor zwei Wochen. Bis jetzt ist er noch nicht zurückgekehrt. Nach drei Standardtagen erreichte uns ein Anruf. Kein richtiges Gespräch – eine Botschaft zu einer Zeit, da er bestimmt wußte, daß wir schliefen. Wir haben sie natürlich im vollen Wortlaut gespeichert. Er meinte, wir sollten uns nicht um ihn sorgen, er sei einer ganz dicken Sache auf der Spur, die ihn mit einem Schlage zum reichen Mann machen könne. Es könnte allerdings eine Weile dauern, bis er wiederkäme. Er riet uns, Luna zu verlassen und auf der Erde abzuwarten.« Ihr weißes Fell sträubte sich. »Es war nicht sein Stil. Wir beauftragten ein Detektivbüro damit, seine Stimme zu analysieren. Die Worte stammen von ihm, daran gibt es keinen Zweifel. Aber es ist nicht sein Stil.«
»Playback«, befahl van Rijn wortkarg. Er starrte mit zusammengekniffenen Augen den Bildschirm an, als der blonde junge Kapitän seine Botschaft sprach. »Verdammt, du hast recht, Chee Lan«, sagte er schließlich. »Normalerweise hätte er gegrinst und einem halben Dutzend Mädchen Grüße bestellen
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