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Die Sau und der Mörder

Die Sau und der Mörder

Titel: Die Sau und der Mörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Springenberg/Michael Bresser
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Kemper. Sagen Sie Herrn Müller, dass ich ein Freund von Egon bin .«
    »Einen Moment, Herr Kemper.«
    Meine Füße hatten sich der Temperatur des Schnees angeglichen, als sich das Portal mit einem Summen öffnete. Ich schritt durch eine von Hibiskussträuchern gesäumte Allee auf den Arztpalast zu.
    Eine ältere Dame ganz in Schwarz öffnete.
    »Guten Tag. Gehen Sie bitte geradeaus in den Salon .«
    Ich spazierte über Perserteppiche durch einen langgezogenen Flur, von dessen Wänden mich ausgestopfte Hirschköpfe anstarrten. Die Tür zum Salon wurde von zwei Säulen eingerahmt. Der Hausherr schien begeisterter Jäger zu sein, denn dort standen weitere ausgestopfte Tiere: Füchse, Fasane, sogar ein Leopard. Um einen Glastisch, der nur zwei Zentimeter über dem Boden schwebte, saßen zwei Frauen und futterten Croissants.
    Die Ältere stand auf. Sie trug ein rotes Kostüm, rote Schuhe und rote Strumpfhosen. Ihre, wasserstoffblonden Haare waren zu einem Knoten zusammengesteckt. Ihr Alter lag definitiv jenseits der vierzig.
    »Guten Tag, Herr Kemper. Ich bin Eleonore Müller. Mein Mann ist heute zur Jagd, aber meine Schwägerin Sarah kennt einen Egon. Vielleicht kann sie Ihnen weiterhelfen. Nehmen Sie doch bitte Platz .«
    Ich tat wie geheißen. Müllers Schwester war in meinem Alter. Sie hatte langes, braunes Haar, das in Wellen über die Schultern fiel. Der beigefarbene Body enthüllte mehr, als er verbarg.
    »Sie sind also ein Freund von Egon«, musterten mich ihre grünen Augen neugierig.
    Ich nahm nicht an, dass wir denselben Egon meinten. Da ich aber davon ausging, dass Eleonore ihrem Mann von meinem Besuch erzählen würde, beschloss ich, eine Andeutung zu machen. Vorher aber ein Croissant gegriffen und herzhaft hineingebissen.
    »Kaffee dazu ?« , blickte Sarah mich amüsiert an.
    »Ich wäre Ihnen sehr verbunden .«
    Als auch das erledigt war, legte ich los: »Ich bin wie Egon im Medizinbedarfshandel tätig. Egon sagte mir, dass Ihr Bruder an Proben interessiert sei .«
    Sie blickte mich nachdenklich an: »So, Ihr Egon ist Vertreter. Meiner ist Rechtsanwalt, Egon Mareck .« Sie kannte den Dicken nicht.
    »Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass eine Frau Ihres Niveaus mit Medikamentenvertretern verkehrt .«
    »Auch wenn ich Ihren Kollegen nicht kenne, heißt das nicht, dass ich auf Vertreter herabblicke«, straften ihre Augen die Aussage Lügen.
    »Wenn sich das so verhält, darf ich Sie heute Abend sicherlich zum Essen einladen, um die Annäherung der Gesellschaftsschichten weiterzudiskutieren.«
    »Sie dürfen. Aber warum sollte ich annehmen ?« , zwirbelte sie an einer Haarsträhne herum.
    »Sind meine blauen Augen nicht Grund genug ?«
    »Überredet. Um acht im Palmenpalast«, klingelte ihr Lachen in meinen Ohren.
    Ich schickte den Rest Kaffee in die dafür vorgesehenen Organe, schnappte mir noch ein Croissant und machte mich vom Acker.

    Heute Nachmittag hatten sich Glück und Pech wie so oft im Leben die Waage gehalten: Pech, weil Tobias zurzeit Hirschen und Wildschweinen das Lebenslicht auspustete, Glück, weil ich ein Date mit seiner Schwester hatte. Sie konnte man bestimmt ein wenig ausquetschen, und außerdem gefiel sie mir.
    Bettina hatte den Hof freigeschippt, braves Mädchen. Die Haustür stand offen, nicht die beste Idee bei den heutigen Temperaturen gepaart mit den derzeitigen Energiepreisen. Mit einem »Habt ihr bei euch Säcke vor den Türen ?« betrat ich die gute Stube und wurde von zwei reizenden Ladys empfangen, Tine und Karin. Allerdings fielen sie mir nicht freudestrahlend um den Hals, sondern saßen still nebeneinander vor dem Kamin. Das Sprechen und »Um den Hals fallen« fiel auch nicht leicht, wenn man gefesselt und geknebelt war.
    Hinter mir bewegte sich ein Schatten, dann verirrte sich ein stumpfer Gegenstand auf meinen Hinterkopf. Während ich mich im freien Fall dem Boden näherte, überlegte ich, warum immer ich als Sandsack missbraucht wurde.

1 7
    M ein gewaltsam geöffneter Mund wurde mit einer ätzenden Flüssigkeit gefoltert. Ich schlug hustend um mich. Dabei floss die Säure über mein Gesicht. Als ich die Augen öffnete, brannten sie im chemischen Bad wie eine Bibel im Talibanfolterstübchen. Als sich meine Schnittstellen zur visuellen Welt regeneriert hatten, ortete ich das Marterinstrument: Old Smugglers, ein Whiskeyverschnitt der untersten Preiskategorie. Dieser befand sich in einer halbleeren Flasche in der linken Hand eines guten Freundes.
    »Gestern retten Sie mir

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