Die Sau und der Mörder
kein Geheimnis. Der Kerl ist krank. Lässt sich immer was Neues einfallen; heute hat er zum Beispiel nach Schweinestall gestunken. Ich bin einmal mit ihm nach Hause gefahren. Nie wieder. Hat mich ans Bett gefesselt und ziemlich widerliche Sachen veranstaltet. Bezahlt hat er auch nicht. Mich wundert, dass er sich überhaupt noch hierher traut, denn die anderen Mädels haben ähnliche Erfahrungen gemacht. Scheint ein Freund vom Chef zu sein. Als ich erzählt habe, dass er keine Kohle abgedrückt hat, meinte er, ich soll es gut sein lassen. Balthasar würde die Mücken schon rüberwachsen lassen. Ist mir egal, der Kerl kommt mir nicht mehr an die Bluse«, schüttelte sie ihre rote Mähne.
»Kennst du seinen vollen Namen ?«
»Kinker, Balthasar Kinker. Ist er jetzt endlich fällig ?«
»Adresse?« Jaja, die Jungs von der Sitte sind nicht sehr höflich.
»Dülmen, Geschwister-Scholl-Straße. Habe ich mir nur gemerkt, weil dort eine gute Freundin wohnt. Die Hausnummer kenn ich aber nicht«, zeigte sie außerordentlich viel Engagement. Kinker schien wirklich eine üble Bazille zu sein.
»Das reicht, geh wieder arbeiten«, entließ ich sie. Als ich kurz darauf die Lustmeile entlangfuhr, hatte sich bereits eine wild gestikulierende Traube um das Mädel gebildet.
Hollek und Kinker waren also identisch, wenig überraschend. Auf nach Dülmen zu den Widerstandskämpfern. Vielleicht fand ich in seiner Wohnung etwas, das mir zumindest die Richtung anzeigte, wonach er das ganze Münsterland durchkämmte. Wenn ich nämlich nicht bald aus den Puschen kam, würde ich Claude und Egon im Fegefeuer Gesellschaft leisten, keine schöne Aussicht bei meiner Hitzeallergie.
Nach zehn Minuten harter Ermittlungsarbeit hatte ich die Geschwister-Scholl-Straße, nach weiteren zehn Kinkers Haus gefunden. Es war ein sechsstöckiger Altbau mit Ornamenten aus der Gründerzeit. Balthasar wohnte direkt unterm Dach. Ich japste hundertzwanzig Treppenstufen hoch und verfluchte den Hauseigentümer, der am Aufzug gespart hatte. Neben Kinker bewohnten zwei weitere Parteien das Dachgeschoss.
Just als ich den ersten Dietrich testen wollte, trat ein Rentner aus der Nachbarstür. Ein trotz seines hohen Alters drahtiger Typ mit gepflegtem Schnäuzer und einem Mops an der Leine.
»Erzherzog Ferdinand, bei Fuß«, befahl er mit strenger Stimme. Dieser parierte aber nicht, sondern watschelte kläffend auf mich zu, während ich Freund Dietrich in der Hosentasche verschwinden ließ.
»Das ist kein Happi-Happi«, versuchte er derweilen die Töle zu beruhigen. »Wir haben vorhin Lassie gesehen. Da ist der Junge immer außer Rand und Band .«
Ich nickte wissend.
»Wenn Sie zum Kinker wollen, der ist nicht da. Er hat um elf Uhr sieben das Haus verlassen .«
Ich hatte den Haussheriff getroffen. Empfand ich privat für solche Leute nur Abscheu, war ich beruflich auf sie angewiesen.
»Ist schon ein seltsamer Vogel, der Kinker. Kommt jede Woche mit einem neuen Wagen an. Und Frauen schleppt der auf seine Bude. Ich sag Ihnen, da wird man ganz neidisch. Und das bei seinem Äußeren. Statt sich einen attraktiven Kerl wie mich zu angeln, fliegen die auf den kleinen Furz. Dabei würde sich Erzherzog Ferdinand so über ein Frauchen freuen. Hab ich recht, Ferdi ?«
Moppelmops knurrte, was alles und nichts bedeuten konnte.
»Unangenehm, dass Herr Kinker nicht zu Hause ist. Ich bin Privatdetektiv und arbeite für den Gerichtsvollzieher der Stadt Dülmen. Wir vermuten, dass Herr Kinker Prostituierte ohne Aufenthaltsgenehmigung beschäftigt. Von Steuerhinterziehung ganz zu schweigen. Dem Gerichtsvollzieher hat er angegeben, arm wie eine Kirchenmaus zu sein. Ich soll mich daher einmal in seiner Wohnung nach Anhaltspunkten Umsehen .«
Die Geschichte war löchriger als Emmentaler, aber der Blockwart würde sie bestimmt bereitwilliger schlucken als seine Blutdruckpräparate. Und richtig. Die Augen des Opas begannen zu leuchten.
»Hab ich es mir doch gedacht. Noch gestern hab ich zu Frau Schmittobreik gesagt: Der Herr Kinker kommt mir nicht ganz koscher vor. Der...«
»Mein Chef bringt mich um, wenn ich ohne konkrete Ergebnisse zurückkomme«, unterbrach ich ihn. »Hat irgendjemand in diesem Haus einen Schlüssel für die Wohnung ?«
»Sie haben Glück, junger Mann«, schwoll dem Rentner die Brust. »Der Eigentümer hat mich zum Verwalter dieses Objekts ernannt. Ich muss auf die Einhaltung der Hausordnung achten. Eine schwierige Aufgabe, wie Sie sehen. Sie müssen nicht
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