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Die Sau und der Mörder

Die Sau und der Mörder

Titel: Die Sau und der Mörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Springenberg/Michael Bresser
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unverrichteter Dinge abziehen. Ich habe Ersatzschlüssel für jede Wohnung. Vielleicht wollen Sie sich auch die Wohnung von Frau Ledermüller im Erdgeschoss ansehen. Die kommt mir sehr verdächtig vor. Noch gestern habe ich zu Frau Schmittobreik gesagt...«
    »Würden Sie den Schlüssel bitte holen? Ich habe viel zu tun«, unterbrach ich ihn, bevor ich noch das ganze Viertel inspizieren sollte.
    »Natürlich. Adolf Bisanz dient dem Vaterland, wann immer es ruft«, schwoll die Hühnerbrust noch ein Stück.
    Adolf verschwand samt Adelsanhang in seiner Wohnung und kam kurz darauf ohne Köter, dafür mit einem Schlüsselbund zurück.
    »Noch eines...«, fragte er etwas verlegen. »Dürfte ich bitte Ihren Ausweis sehen. Es muss schließlich alles seine Richtigkeit haben .«
    Ich gewährte ihm einen kurzen Blick auf die Cranger-Kirmes-2004-Marke. Reichte nicht.
    »Und der Durchsuchungsbefehl? Bei der Soko Leipzig muss der immer vorgezeigt werden. Oder war es bei der Soko Darmstadt ?« , faltete sich nachdenklich sein Gesicht.
    »Herr Bisanz. Durchsuchungsbefehle sind eine Erfindung des Fernsehens. Im wirklichen Leben reicht eine mündliche Vollmacht der Behörden. Damit darf ich sogar Merkels Stullendose inspizieren«, bewegte ich mich auf immer dünnerem Eis. Rück die Schlüssel raus und verzieh dich.
    »Wirklich? Da möchte ich mich lieber bei Ihrem Vorgesetzten erkundigen. Diese Fernsehkrimis erfinden so was doch nicht. Und mit dem Kinker ist nicht gut Kirschen essen. Wenn ich Sie hereinlasse... «
    Schnell in die Menschenkenntnistrickkiste gegriffen. »Aber Herr Oberst. Wir Soldaten vertrauen doch einander. Einer für alle, alle für einen.«
    »Nur Gefreiter, Herr...«
    »Nannen, Dieter Nannen.«
    »Sieht man mir an, dass ich gedient habe ?« , platzte sein Oberkörper fast vor Stolz.
    »Das Militär prägt den Menschen fürs ganze Leben. Aufrechter Gang, gestochener Schritt, ehrlicher Blick, Muskeln aus Stahl. Diese Eigenschaften findet man nur bei Kameraden«, sonderte ich Sermon auf Landserheft-Niveau ab.
    »Muskeln aus Stahl«, nickte Bisanz versonnen, »das war einmal. Leider durfte ich nur im Zweiten Weltkrieg dem Iwan zeigen, wo die germanischen Glocken hängen. Wo haben Sie gedient mit welchem Rang, wenn ich fragen darf ?«
    »Erstes Fliegerbataillon, dritte Kompanie, Kaiserslautern, Oberstleutnant«, leierte ich mir spontan aus dem Skelett. Was wusste ich Zivi denn, was es da für Ränge gab?
    »Dann sind Sie mein Vorgesetzter«, war ich in Adolfs Achtung gestiegen.
    »Leider a.D. Sparmaßnahmen. Würden Sie mir trotzdem aufschließen ?«
    »Zu Befehl, Herr Oberstleutnant !« , presste er die Kniekehlen zusammen, drückte den Brustkorb heraus und salutierte zackig. Danach wimmerte er kurz.
    »Bandscheibe. Bin leider nicht mehr so drahtig wie damals im Wolgakampf .«
    »Sie können abtreten, Gefreiter Bisanz. Sobald ich fertig bin, liefere ich den Schlüssel ab .«
    »Jawoll, Herr Oberstleutnant.«
    Mit beseeltem Gesichtsausdruck kehrte Bisanz in seine Wohnung zurück.
    Schnell die Tür geöffnet und die Diele betreten. Kinkers Wohnung erwies sich als ebenso außergewöhnlich wie ihr Bewohner. Die Wände waren mit Fotos von bedeutenden Schauspielern geziert: Arnold Schwarzenegger, Sylvester Stallone und Jean-Claude van Damme. Charles Bronson und Steven Seagull erfreuten sich sogar der Ehre von Ölporträts. Die Szene zeigte die Stars im Dschungelkampf gegen Asiaten oder Aliens. Jedem Tierle sein Plaisierle, dachte ich plötzlich schwäbisch.
    Ich verließ die Hall of Fame der Oscaraspiranten und sah mich im Schlafzimmer um. In der Mitte des Raumes thronte ein Himmelbett mit geblümtem Baldachin. Das war es aber schon an Gemütlichkeit. An den Bettpfosten hingen Handschellen, und in einer Vitrine befand sich eine opulente Peitschensammlung. Ich zählte drei Dutzend verschiedene Schlaginstrumente aus Rosshaar, Leder, Rohr, Fischbein und nicht näher bestimmbaren Materialien.
    Das Bemerkenswerteste war aber der Altar. Vier elektrische Kerzen beleuchteten den Gott, dem diese Kultstätte geweiht war: Balthasar Kinker.
    Das Männchen posierte in knallgelber Unterhose auf einer Dschungellichtung. Den Kopf mit einem Stirnband der Vereinigten Staaten umwickelt, um den Hals eine Kette mit Paprikaschoten. In der Rechten ein Maschinengewehr, in der Linken einen Totenkopf, übertraf er seine Idole an Coolness. Es fröstelte mich leicht.
    Hier hatte ich genug gesehen. Neugierig stiefelte ich ins Wohnzimmer. Als ich durch

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