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Die Scanner

Die Scanner

Titel: Die Scanner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Sonntag
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Melli meint, eine Fernbeziehung ist unkommunikativ.«
    Er machte eine Pause.
    »Dabei kommunizieren wir doch ständig.«
    Wirdochschdänisch.
    Ich nannte Jojos Verhältnis zu Melli eine Mobril-Beziehung. Fernbeziehung klang nach 5. Quartier A-Zone und 18. Quartier B-Zone. Aber nicht nach unterschiedlichen Städten.
    Melli lebte aber nun leider in einem anderen EG (Evakuierungs-Gebiet), also in einer anderen Stadt. Und Flüge mit den Solar-Gleitern waren fast unbezahlbar. Genehmigungen für solche Ein- und Ausreisen stellte die Zonenverwaltung nur für Geschäftsreisende aus.
    Jojos Liebesbeziehung, wie immer man sie nennen mochte, war von Anfang an zum Scheitern verurteilt. Das war meine Meinung. Aber die konnte ich als unerfahrener Single unmöglich Jojo mitteilen. Auch wenn ich seiner Meinung nach kein Single mehr war.
    Auf der luftigen Terrasse der Scan AG hörte ich mit dem Grübeln gar nicht mehr auf.
    »Melli wird sich wieder fangen«, sagte Jojo und schlug mir auf die Schulter. »Wie geht’s deiner Pflegerin?«, fragte er.
    Er lallte nicht mehr. Seine Augen schwollen jedoch an. Ich schüttelte verlegen den Kopf und schaute in die dunkelgrünen Wolken.
    Jojo legte sich auf den Tisch, stützte sich mit dem Ellenbogen ab. Ich kannte das bei ihm. Er würde in 20 Minuten tief und fest schlafen. Normalerweise hätte ich in diesem Stadium Mobril. Kontakt. Taxizentrale. 5. Quartier gesagt.
    An diesem Abend schaute ich kurz über Jojo hinweg in die Kantine. Nomos und ein paar Anzugträger saßen noch immer in dem hell erleuchteten Raum. Sie interessierten sich nicht für uns.
    »Gib mir mal was von dem Zeug«, sagte ich.
    Ohne nachzufragen, griff Jojo in die Jackentasche. Er schüttete auf dem Tisch eine kleine Plastiktüte mit blauem Nador-Pulver aus. Er nahm die Mobril und zog mit ihren eckigen Kanten aus dem Häufchen eine dünne Spur.
    »Langsam! Verstanden? Das Zeug wirkt erst etwas später und bei jedem anders.«
    Ich folgte Jojos Anweisungen. Ich hatte ihm ja oft genug dabei zugeschaut. Nach einer halben Minute waren die winzigen Körner in meiner Nase verschwunden. Ich stellte mich auf ein halbstündiges Warten ein und freute mich auf die Wirkung.
    Keine Minute später blutete ich aus beiden Nasenlöchern. Mein Kopf hämmerte. Mir war so schlecht wie nach zehn Stunden Metro-Gleiter.

    Ich wachte mit blutverschmiertem Hemd in den Toilettenräumen auf. Ich lag auf dem Boden in einer Kabine. Die Tür war angelehnt. Ich strich über meine Glatze und fühlte kalten Schweiß. Ich versuchte, mich zu erinnern. Mir fiel nur die Terrasse, Jojo und ein Häufchen Nador ein. Mir war übel, und ich wollte an die frische Luft. Ich zog mich gerade am Klodeckel nach oben, als ich Nomos und einen anderen Mann hörte. Sie mussten bei den Waschbecken stehen.
    »Da mach ich nicht mit. Zielvorgaben hin oder her. Vergiss die Quote!«, sagte Nomos.
    Er klang aufgebracht.
    »Du hast keine Wahl. Du gehörst zum Kernteam. Genauso wie ich.«
    Die Stimme konnte ich keiner Person zuordnen.
    »Ich lass mir nicht drohen. Ein kurzer Mobril-Kontakt, und ich hab eine neue Stelle in der Zonenregierung. Auf Lebenszeit mit Alters-Zusatz-Prämie«, sagte Nomos.
    »Vergiss die Regierung. Sie steht auf unserer Seite.«
    »Die Vize-Präsidentin wohl kaum.«
    »Die war die Billigste von allen. Sie wird mit 74 Ja-Stimmen und sechs Enthaltungen nächste Woche in den Vorstand gewählt. Doppelter Leistungsbezug natürlich!«
    »Was ihr vorhabt, das ist doch Wahnsinn. Ich steige aus«, sagte Nomos.
    »Zu spät. Zwölf Uhr morgen Mittag ist es so weit.«
    Auf diesen Satz reagierte Nomos noch hektischer.
    »Seid ihr alle verrückt geworden? Das ist ein Verbrechen.«
    »Ein Verbrechen ist es, wenn Ultranetz die maximalen Zielvorgaben nicht erreicht! Wir handeln ertragsorientiert. Schon vergessen?«
    Einer von beiden verließ den Raum und knallte die Tür zu. Der andere ging auf und ab. Kurz dachte ich, er würde vor meiner Kabine stehen bleiben. Meine Tür war nicht verriegelt, und sie hatten wohl gedacht, sie wären alleine. Schließlich entfernten sich auch diese Schritte.
    Ich wartete noch eine Viertelstunde auf dem Boden. Dann erst traute ich mich wieder auf die Terrasse. Die Stühle und Tische standen verlassen zwischen den Plastikpflanzen in der Dunkelheit.
    Keine Spur von Jojo und den anderen. Im Zimmer der First Class brannte kein Licht mehr. Im Hauptraum der Kantine saßen an einem Tisch ein Dutzend mir unbekannte Mitarbeiter. Sie tranken eine

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