Die Scanner
Papier sammelte und in raumfüllende Regale stellte. Ich kapierte nicht, was jemanden dazu veranlasste, sich Terrorgruppen wie der Büchergilde anzuschließen. Anschläge verübte. Chaos verbreitete.
Aber ich spürte Fannis Hand, und alles andere hatte Zeit. Dachte ich zumindest. Und lag falsch. Fanni schaute mich nach den Geschichten über ihren Opa und ihre vielen Schmöker hoffnungsvoll an. Aber mir fiel absolut nichts dazu ein. Zumindest nichts außer meinen kritischen Anmerkungen und Fragen.
Aber ich wollte nicht streiten, suchte nach anderen Themen. Hauptsache reden. Hauptsache hier sitzen bleiben. Hauptsache, unsere Hände berührten sich noch ein wenig.
Doch eine Frage beschäftigte mich zu sehr. Eine einzige Frage. Die musste ich einfach stellen. »Was hat es mit dem großen Knall auf sich, von dem Arne mir erzählt hat?«
Sie schaute in die Kerze vor uns. Sie schwieg.
Ich setzte auf alles. »Du musst aussteigen! Aufhören bei der Büchergilde! Du und die Professorin. Wir verhindern gemeinsam den großen Knall. Und teilen uns die 500000.«
Sie riss ihre Hand weg.
»Du bist ein Buchagent und zerstörst das, was ich liebe«, schrie sie mich an. Eine alte Frau am Nachbartisch schaute zu uns. Sie trug keine Mobril, und das zählte.
Fanni stand auf. »Arne vertraut dir. Ich nicht!«
Sie warf einen Zehner auf den Tisch. Er segelte an der Kerze vorbei und landete dort, wo vor ein paar Sekunden noch ihre Hand unter meiner gelegen hatte. »Der ist für die Rückfahrt in dein Zombieland.«
Sie verließ das Restaurant und drehte sich nicht nach mir um.
Draußen regnete es in Strömen. Wie im Film, dachte ich. Wenn sich Paare stritten oder trennten. Danach regnete es immer in Strömen. Und die Drüsen des Animators versprühten feuchte Luft im Raum.
Echter Regen fühlte sich anders an. Bis ich einen Rikscha-Fahrer fand, war ich von Kopf bis Fuß nass. Bei der Hauptstraße angekommen, entschied ich mich gegen die Taxis. Ich wollte nicht mit dem Finger zahlen. Keine Spuren hinterlassen. So weit hatten mich Fanni und Arne bereits gebracht. Obwohl ich für Fanni ein Buch-Zerstörer war und Arne mich um meinen Job bringen wollte.
Zu Fuß erreichte ich nach einer Stunde im Regen die nächste Metro-Gleiter-Station. Unterwegs hatte ich genug Zeit zum Nachdenken. Steckte ich schon zu tief drinnen? Hatte mich Arne schon so sehr eingewickelt mit seiner Kritik am System?
Irgendwie hatte er ja sogar meine Professorin überzeugt. Sie war nicht leicht für etwas zu gewinnen. Das wusste ich. Oder war es meine Hand auf Fannis Hand, weshalb ich die Sicherheits-Scanner an diesem Tag schon wieder nicht kontaktierte?
Ich kam durchgefroren zu Hause an, ließ den Kleiderreiniger links liegen. Angezogen stellte ich mich unter die heiße Dusche. Streifte das mit Wasser vollgesaugte Hemd ab. Ich hatte noch zwei Stunden bis zum Treffen mit Jojo. Die Mobril blinkte. Die Werbespots des Vormittags hatte ich schon wieder verpasst.
»Wir freuen uns, Ihnen auch ohne Werbevertrag alle Mobril-Dienste anzubieten«, teilte mir die sanfte Stimme mit. Bevor ich etwas dazu sagen konnte, hatte mein Auge den 150-prozentigen Preisaufschlag akzeptiert. Es störte mich nicht wirklich. Ich hatte andere Probleme.
Selbst als mich die Mobril-Nachricht von Nomos erreichte, blieb ich regungslos. »An alle Buchagenten aus meiner Gruppe! Wir treffen uns heute Abend, 17 Uhr. Krisensitzung in der Zentrale. Wer nicht kommt, der ist draußen.«
Die Krisenparty
Nomos’ Ranking bei der Scan AG sank von Tag zu Tag. Ich sah seine Wertung bei mir in der Mobril blinken. Krisensitzungen veranstaltete er daher ständig. Seine Agenten spürten zu wenig Leser auf.
Ich traf zeitgleich mit Jojo in der Zentrale ein. Nomos projizierte eine Karte der A-Zone mit einer roten Zielscheibe in den Seminarraum. Die Karte löste sich auf, und wir sahen eine alte Frau mit einer Einkaufstasche.
»Sie wurde zuletzt im 14. Quartier gesehen«, sagte Nomos.
Er zoomte auf die Tasche. Ganz oben lagen drei übereinandergestapelte Bücher.
»Die ganze Wochenquote in einer Tasche«, flüsterte mir Jojo zu.
»Vermutlich wohnt sie nicht in der A-Zone, sondern in einem Seniorenlager der C-Zone«, sagte Nomos.
Der Animator zeigte sie in einem Aroma-Supermarkt der NEUDI-Kette.
»Wir haben alle Ultranetz-Filme der letzten Woche von NEUDI ausgewertet«, sagte Nomos. »Sie ist jeden Tag dort! A-Zone. 14. Quartier.«
Jojo hob die Hand. »Machen wir! Rob und ich sind morgen dort!«
Nomos
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