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Die Scanner

Die Scanner

Titel: Die Scanner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Sonntag
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heute nervte es.
    »Mobril. Kontaktversuch. Unbekannter Teilnehmer.«
    Keiner von Techmix, so viel stand fest. Ich wollte die Mobril nie wieder anrühren, das hatte ich mir mit dem Kopf unter dem kaltem Wasser geschworen. Aber die Neugier siegte. Wie immer.
    Ich sah ein Zimmer voller Technikkram. Es sah ähnlich aus wie bei Jojo. Ich hörte eine Frau, vielleicht in meinem Alter, die gegen das Techmix-Pfeifen anschrie.
    »Spreche ich mit Rob?«
    Ich schwieg. Sie fuhr mit gleicher Lautstärke fort.
    »Wir haben uns noch nie gesprochen. Jojo hatte mir mal dein Ultranetz-Profil gezeigt.«
    »Wer bist du?«, fragte ich.
    »Melli.«
    Meine Stimme versagte, und ich hatte einen Kloß im Hals.
    »Erreiche Jojo nicht und mach mir Sorgen.«
    Ich weinte schon wieder. Aber sie hörte es offenbar nicht.
    »Ist etwas Dummes passiert. Ein Problem mit meiner Mobril-Basis. Der hat private Filme an alle Mobril-Kontakte verschickt. Darunter war ein bestimmter Film. Also das war vor zwei Jahren. Mit meinem Ex-Freund. Vor meiner Zeit mit Jojo. Sag mal, weinst du?«
    Ich bekam keine Antwort heraus.
    »Das mit dem Film ist mir superpeinlich. Nicht dass Jojo denkt …«
    Ich zog mir die Mobril vom Gesicht und schleuderte sie in Richtung Waschbecken. Sie flog gegen den Türrahmen und landete auf dem nassen Boden vor dem Badezimmer.
    »Water Man 25 – Mich gibt’s überall auf Ultranetz«, schrie Water Man gegen das Pfeifen an.
    Die Brille hielt einiges aus. Das wusste ich. Aber nicht alles. Ich presste sie auf den Boden des vollen Waschbeckens. Ich wartete. Holte sie raus. Water Man war endlich sprachlos. Ich warf sie noch mal auf den harten Boden. Immer wieder. Bis nur noch ein Dutzend Einzelteile dort lagen. Ich hob sie alle auf. Schaute mich im Badezimmer um und spülte sie die Toilette runter.
    Ich riss in meinem Zimmer und im Bad die Techmix-Sensoren aus dem Boden und den Wänden. Ich zog die Boxen samt Schrauben aus der Decke. Der Signalton verstummte. Mir war schwindelig. Bilder und Stimmen rasten durch meinen Kopf. Ich dachte, ich würde umkippen und nie wieder aufstehen.
    So ein Unsinn, sagte ich mir.
    Und dann – fiel ich tatsächlich einfach um.

    Es war der zweite Umfaller meines Lebens. Und wie ich so dalag, träumte ich von Jojo und meinem ersten Umfaller. Jojo und ich hatten in der Oase seinen Geburtstag gefeiert. Damals lief ein richtiger Schocker in den Interactive-Movie-Halls.
    Wir stürzten mit dem Solar-Gleiter ab. Weit außerhalb der Stadt in den verseuchten Gebieten. Fiese Monster wuchsen dort heran. Gegen die mussten wir kämpfen. Beim Endgegner verlor ich Jojo aus den Augen, und die Schlangenköpfe eines mutierten Wolfes umzingelten mich. Ich schoss wie wild mit der E-Pistole um mich, hatte aber keine Chance.
    »Exit«, schrie ich immer wieder. Die Animation hörte aber nicht auf. Irgendein Fehler. Kein Mitarbeiter der Oase kam und half mir dabei, den Anzug auszuziehen und den schweren Mobril-Intensiv-Helm abzunehmen. Die Animation lief weiter.
    Die E-Pistole fiel mir aus der Hand, und ich spürte überall die Schlangenbisse. Elektroschock für Elektroschock. Und ich lernte, dass selbst ein ganz sanfter Elektroschock nach hundertfacher Wiederholung gewaltig schmerzt.
    Unfähig, mir die Brille vom Kopf zu reißen, schloss ich die Augen und fiel ohnmächtig auf den Boden. Ein Mitarbeiter der Oase und Jojo kamen am Ende der Animation in den Raum. Sie entdeckten mich auf dem Boden. Ich lag reglos im eigenen Urin. Jojo und ich sprachen nie wieder darüber. Bei allen kommenden Animationen verlangte ich von den Mitarbeitern immer zuerst einen Exit-Test.

    Exit hätte ich auch gern an diesem Abend in meinem überschwemmten Zimmer gerufen. Aber das war kein Film. Das war mein Leben, das da gerade außer Kontrolle geriet. Ich musste mit jemandem reden. Aber mit wem? Mein Vater erholte sich von seiner Nachtschicht und schlief. Er hätte sowieso nicht zugehört.
    Ich klopfte bei meiner Mutter an die Tür ihrer Arbeitsbox. Keine Reaktion. Ich trat trotzdem in die winzige Kammer. Sie sprach mit einem Kollegen über irgendeinen Auftrag.
    »… im Meeting hieß es klar, wir rufen den Consultant …«
    Sie wusste noch nichts von Jojos Tod. Ich wartete. Sie redete weiter.
    »Jojo ist tot«, sagte ich in ihre Besprechung hinein.
    Sie schaute kurz auf, schüttelte den Kopf. »Nicht jetzt!«
    Ich drehte mich um.
    »Es piepst furchtbar aus deinem Zimmer. Das nervt!«, sagte sie, und ich verließ ihr Büro.
    Ohne ein weiteres

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