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Die Scanner

Die Scanner

Titel: Die Scanner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Sonntag
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haben«, sagte Arne. »Selbst als ich das Geschäft offiziell geschlossen hatte, hab ich noch Lesungen veranstaltet. Bis vor zwei, drei Jahren. Irgendwann war es mir zu gefährlich.«
    Ich suchte nach bekannten Gesichtern auf den Fotos. Aber ich erkannte keinen der Autoren. Es war niemand dabei, den mein Animator ins Zimmer projizierte.
    »Bradbury«, rief Arne von unten und erinnerte mich daran, dass ich nicht zum Bilderanschauen auf die Leiter geklettert war.
    » Fahrenheit 451 «, fügte er hinzu. Ich zog das Buch heraus.
    »Die Feuerwehr löscht keine Brände«, erklärte Arne, »sie verbrennt Bücher. Doch ein Feuerwehrmann beginnt, sich für die Bücher zu interessieren, die er zerstört.«
    Wir liefen weiter und blieben beim Buchstaben H stehen. Dieses Mal brauchte ich keine Leiter.
    » Schöne neue Welt von Huxley«, sagte Arne und strahlte.
    Ich verstand nicht, wieso. Ich suchte das Buch und übergab es ihm. Wir mussten um zwei weitere Ecken gehen und tief in den Raum vordringen, bis wir bei O angekommen waren.
    »George Orwell, 1984 «, forderte mich Arne auf. »Der große Bruder sieht dich!« Er fügte diesem Satz nichts hinzu.
    Arne setzte sich mit mir an einen Tisch und knipste eine Leselampe an. Er breitete Bradbury, Huxley und Orwell vor uns aus und schaute mich erwartungsvoll an. Ein weiteres Buch knallte auf den Tisch, die Frau mit den grauen Locken warf es aus zwei Metern Entfernung.
    Selbst Arne zuckte zusammen und erschrak. Linda sah Arne vorwurfsvoll an. Wir stand auf dem Buchumschlag, von einem gewissen Jewgenij Samjatin verfasst.
    »Den vergisst du immer!«, sagte Linda.
    Arne verdrehte die Augen.
    »Und die aus dem 21. Jahrhundert ignorierst du komplett!«, schimpfte die Frau weiter.
    »Es geht mir doch nur ums Prinzip, ich will Rob …«
    »Was ist mit der Anti-Utopie von Shteyngart zum Beispiel, oder mit …«
    »Linda! Können wir das später …«
    »Kenne keinen dieser Autoren«, sagte ich.
    Arne nickte. »Das kannst du auch nicht. Du wirst keines dieser Bücher bei Ultranetz finden!«
    »Wieso?«
    »Weil diese Autoren die Welt vor vielen Jahren so beschrieben haben, wie sie heute ist«, sagte Linda.
    »Und weil sie genau davor gewarnt haben!«, ergänzte Arne.
    Sie waren das perfekte Lehrerpaar. Unausstehliche Besserwisser.
    »Und deswegen sind die Bücher nicht auf Ultranetz?«, fragte ich.
    »Der Konzern zensiert Bücher, manchmal löscht er ein paar Absätze, manchmal zehn Bände auf einmal«, sagte Linda.
    Ich versuchte, das alles zu verstehen. »Wenn ich also ein Buch von Bradbury scanne …«
    »… freut sich die Scan AG, dass du ihr bei der Beseitigung und Vernichtung dieses Werkes geholfen hast«, sagte Arne. »Deine gescannten Daten werden gelöscht, und das Buch wird verheizt.«
    Ganz schön harter Vorwurf. Ich hatte nie nachgeschaut. Ich fand Bücher ja belanglos. Es ging ums Geldverdienen, mehr nicht. Ich wäre nie auf die Idee gekommen, auf Ultranetz nach Autoren oder Titeln zu suchen. Wieso auch? Wenn ich etwas wissen wollte, brauchte ich keine Bücher. Ich fragte Lexi-Ultranetz und erhielt die richtige Antwort.
    »An welchem Tag brach der letzte der großen Kriege aus?«
    »Am 5. Dezember.«
    »Wer war schuld?«
    »Die Südachse.«
    Ich schlug das Buch mit dem Feuerwehrmann auf. Las ein paar Zeilen, einen Dialog.
    »Wer nicht aufbaut, muss niederbrennen. Das ist eine alte Geschichte, so alt wie die Menschheit und jugendliche Verbrecher.«
    »Ach, zu denen gehöre ich also.«
    »Etwas davon steckt in jedem von uns.«
    Ich wollte weiterlesen. Arne zog mir das Buch aus der Hand und klappte es zu.
    »Heute ist keine Zeit zum Lesen. Morgen auch nicht. Aber die Tage danach wirst du viel Zeit haben.«
    Ich verstand kein Wort. Aber mir fiel der eigentliche Grund meines Besuches wieder ein. Ich erzählte Arne von der Krisensitzung bei der Scan AG. Mein Nador-Experiment klammerte ich aus. Ich schilderte das belauschte Toilettengespräch zwischen Nomos und dem Unbekannten in allen Details.
    »Irgendwas soll um zwölf Uhr passieren«, schloss ich meinen Vortrag.
    »Morgen. Ich weiß«, sagte Arne und führte mich zur Wendeltreppe. »Deswegen feiern wir heute Abschied.«
    Er sprach wie immer in Rätseln.
    Ich wollte Arne noch über Fanni ausfragen. Ich steuerte im Raum der Sachbücher zwei rote Stoffsessel an. Ich überlegte, wie ich genau fragen sollte.
    »Fanni hatte vermutet, dass du kommen wirst.«
    Arne konnte Gedanken lesen. Oder er kannte sich einfach mit Frauen

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