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Die Scanner

Die Scanner

Titel: Die Scanner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Sonntag
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Studienplan. Sie erzählte trotzdem davon.
    Die Kurzfassung: Gedruckte Exemplare fanden zu wenig Leser. Für die Ultranetz-Ausgaben dieser Medien wollte aber keiner Geld bezahlen. Ultranetz ist frei! Frei bedeutete kostenlos und für Zeitungen das Aus.
    Meine Eltern hatten noch ein paar alte Ausgaben einer Tageszeitung in einer Schachtel in der Technikkammer. Mein Vater hatte mir die vergilbten Seiten überlassen, als ich als Buchagent angefangen hatte. Ich hatte sie Nomos gegeben. Er leitete sie an die Abteilung der Zeitungsagenten weiter. Mit der Prämie tilgten wir zu Hause zwei Raten für die neue Aromazelle.
    Ich weiß noch genau, was ich beim Blick auf die alten Zeitungsseiten gedacht habe: Wer hatte sich bloß so viel Text auf einmal freiwillig angetan? Und das täglich! Dafür hatten Leute Geld ausgegeben? Kein Wunder, dass die Verlage pleitegegangen waren.
    Arne und ich standen noch ein paar Minuten wortlos in der Dunkelheit. Ich versuchte, aus dem Stimmengewirr Fanni herauszuhören.
    »Was hat es mit dem großen Knall auf sich?«, fragte ich.
    »Manche von uns riskieren ihr Leben, damit wir einen Einblick in die Pläne von Ultranetz bekommen«, sagte Arne. Und ich wusste, dass Nachfragen zwecklos war.
    »Hast du Lust auf einen kleinen Rundgang durch meinen Laden? Das würde dich ablenken.«
    »Was verkaufst du?«, fragte ich.
    Arne schaltete das Licht an. Wir standen in einem hallengroßen, verwinkelten, vielleicht fünf Meter hohen Raum. Überall um uns herum standen Bücherregale, die vom Boden bis zur Decke reichten. Sie waren bis auf den letzten Zentimeter gefüllt. Die Scan AG würde ein Vermögen dafür bezahlen! Ich schämte mich ein wenig für diesen Gedanken und behielt ihn für mich.
    »Früher hatte ich einen der bekanntesten Buchläden im 1. Quartier der A-Zone«, sagte Arne.
    »Du warst Buchhändler?«
    »Vor dem Krieg hatte ich einen Laden in meiner Heimatstadt im Süden. Dann erzählten mir immer mehr Kunden, es gebe alles kostenlos auf Ultranetz. Andere blieben mir treu. Bis heute.«
    »Alles Wissen für alle! Jederzeit! Kostenlos!«, sagte ich, ohne darüber nachzudenken. So hatte ich es nun mal abgespeichert.
    »Bücher verkaufe ich keine mehr, es werden ja keine mehr gedruckt. Ich verleihe sie. Du stehst in der letzten Bibliothek der Stadt.«
    »Einer geheimen Bibliothek?«
    Ich lief eines der Regale ab, ein Finger wanderte dabei über die Buchrücken. Kein Mzzzp . Sie schwiegen. Waren stumm. Oder sprachen sie nur nicht mit mir? Schließlich war ich der Buchjäger.
    »Die Scan AG ist in ihren Methoden rabiater geworden. Daher ist es besser, wenn wir Leser unter uns bleiben.«
    Ich fühlte mich von Arnes wir Leser nicht angesprochen. Ich hatte noch nie in meinem Leben ein Buch gelesen. Weder in gedruckter Fassung noch auf Ultranetz. Ich war ein Scanner, kein Leser. Aber das Geheimnisvolle an diesem Ort faszinierte mich.
    Arne erklärte mir mit ausgestreckten Armen den Aufbau seines Lagers. »Auf dieser Etage sind die Sachbücher.« Wir stiegen eine Wendeltreppe hinab. »Und hier die Romane.«
    Arnes Sammlung konnte es problemlos mit dem Bestand der Quartiersbibliothek aufnehmen, die ich mit Jojo weggescannt hatte – der letzten Bibliothek, wie ich damals dachte.
    Bei den Romanen angekommen, zuckte ich kurz zusammen. Gleich neben der Treppe saß eine alte Frau mit grauen Locken auf einem braunen Ledersessel. Nie hätte ich hier unten jemanden erwartet. Ein Stapel Bücher reichte vom Boden bis über ihren Kopf hinaus. Ein schwaches Licht brannte auf dem Tisch vor ihr.
    »Linda! Du hast uns erschreckt!«
    Die Frau reagierte auf Arnes Satz mit einem Lächeln und widmete sich weiter der Lektüre.
    »Lass uns bei B anfangen. Linda möchte ungern gestört werden, und sie hat schon mehr gelesen, als du in diesen Räumen siehst.«
    Arnes nächste Unterrichtsstunde, befürchtete ich. Und ich hatte recht. Arne rollte eine Leiter heran, die an einer Schiene am Regal befestigt war. Er zeigte weit nach oben. Ich kletterte zum Buchstaben B. Zwischen manchen Büchern schauten Plastikkarten heraus. Auf denen sah ich Fotos und ein paar Zeilen Text.
    Auf jedem der Bilder entdeckte ich Arnes Gesicht. Er war viel jünger, die langen, grauen Haare waren schwarz. Auf jedem Foto stand Arne neben einer Frau oder einem Mann. Daneben hatte jemand von Hand das Datum und den Hinweis Lesung bei der Büchergilde geschrieben.
    »Das sind die Autoren, die früher in meiner Buchhandlung aus ihren Werken vorgelesen

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