Die Schakkeline ist voll hochbegabt, ey: Aus dem Leben einer Familienpsychologin (German Edition)
meine wahnsinnige Lust auf Kaffee dazu veranlasst hatte, wild kopfschüttelnd abzulehnen, aber der Gesamteindruck einer bewohnten Müllhalde war definitiv getilgt.
Umso seltsamer, dass mir trotzdem ein intensiver Geruch um die Nase wehte, den ich zunächst gar nicht einordnen konnte. Schließlich fand ich für mich eine Beschreibung. Es roch in diesem Haus, als hätte Frau Peters an der Tankstelle um die Ecke den kompletten Bestand an Duftbäumchen aufgekauft und in jedem Raum einen kleinen Wald davon auf den Schränken gepflanzt.
Als Frau Peters wiederkam, trug sie noch immer die gleiche Hose mit dem Kaffeefleck. Trotzdem war sie eine ganze Weile weg gewesen, und ich hatte schon überlegt, ob sie jetzt diverse neue Outfits vor dem Spiegel ausprobiert und wieder verworfen hatte. Offenbar hatte sie aber irgendwas anderes gemacht. Oder sich dann am Ende doch wieder für die Kaffeefleckhose entschieden. Wie auch immer. Nun war sie wieder da, und wir konnten mit der Begutachtung beginnen.
Das folgende Gespräch mit Frau Peters verlief unkompliziert. Sie zeigte sich einsichtig und erklärte, dass das »alles irgendwie wahrscheinlich nicht so gut für Karolin gewesen« sei. Dass sie sie nicht in den Kindergarten geschickt hatte und dass Karolin keine Freunde habe mit nach Hause bringen dürfen, als sie dann in der Schule endlich welche gefunden hatte – das sei wohl alles »nicht so ganz richtig gewesen«. Aber sie habe eben diese ganzen Sachen in der Wohnung stehen gehabt und so.
»Das war alles noch vom Umzug. Ich hab ja dann auch nicht immer Zeit. Ich muss ja alles alleine machen. Die ganzen Ämtergänge und einkaufen und alles. Da bin ich nicht dazu gekommen, das wegzuräumen. Ich wollte das eben erst fertig machen, bevor Karolin ihre Freundinnen einladen kann. Das soll doch dann auch schön sein für die. Und jetzt hab ich ja auch alles weggeräumt.«
Frau Peters hatte mit ihrer Tochter Karolin recht isoliert gelebt. Erst als das Mädchen in die Schule kam, fiel auf, dass sie nie einen Kindergarten besucht hatte. Das war für sich betrachtet nicht unbedingt problematisch, denn in Deutschland herrscht bislang keine Kindergartenpflicht, aber auch ansonsten hatte Karolin offenbar bislang so gut wie keinen Kontakt zu anderen Kindern gehabt. Eine engagierte Lehrerin nahm sich vor, Karolin zu unterstützen und ihr dabei zu helfen, Freundschaften zu schließen. Das gelang auch recht gut. Nachdem Karolin ihr dann aber eines Tages erzählte, dass sie ihre neuen Freundinnen nicht zu sich einladen dürfe, entschloss sich die Lehrerin, nach der Schule mit Karolin nach Hause zu gehen, um mit Frau Peters zu sprechen und ihr zu erklären, dass es wichtig sei, dass das Mädchen auch in ihrem Zuhause mit anderen Kindern spielen könne.
Frau Peters ließ die Lehrerin nicht in die Wohnung. Sie konnte aber dennoch erkennen, dass zumindest der Eingangsbereich voller Müllsäcke stand – und sie konnte riechen, dass dieser Müll schon mehrere Tage, wenn nicht gar Wochen, dort stehen musste. Die Lehrerin informierte umgehend das Jugendamt, das am nächsten Tag einen Hausbesuch machte, oder sollte man sagen versuchte. Denn das gesamte Haus war vollgestopft mit besagten Tüten, Müllsäcken, Kartons und massenweise diversem Kram. Alles war derart zugestellt und voller Dreck, so dass es für ein Kind absolut nicht zumutbar war, dort weiterhin zu leben. Karolin wurde sofort in eine Bereitschaftspflegefamilie gebracht, und Frau Peters wurde auferlegt, innerhalb von einigen Tagen die Wohnung bewohnbar zu machen.
Tatsächlich war dies der Mutter nun auch gelungen, so dass Karolin wieder zu ihr zurückkehren durfte. Ich wurde dennoch beauftragt, um festzustellen, ob es Karolin bei ihrer Mutter auch tatsächlich gutgeht.
Beim Erstgespräch präsentierte mir Frau Peters also diese zwar nicht ganz saubere und eher lieblos eingerichtete, aber vollkommen müllsackfreie Wohnung, und ich war durchaus beeindruckt. Das Gespräch war beendet, Frau Peters stand auf und begleitete mich zur Tür. Grundsätzlich bestanden durchaus noch ein paar Fragen, aber alleine die sicherlich herkulische Aufgabe, das Haus von dem Unrat befreit zu haben, zeigte mir, dass Frau Peters gewillt war, sich über alle Maßen anzustrengen. »So, dann bringe ich Sie mal zur Tür, Sie haben ja alles gesehen«, murmelte Frau Peters gerade, als sie vor mir durch den Flur tappte. »Alles haben Sie gesehen, ist ja auch alles weg jetzt. Nur den Keller, den wollen Sie
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