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Die Schakkeline ist voll hochbegabt, ey: Aus dem Leben einer Familienpsychologin (German Edition)

Die Schakkeline ist voll hochbegabt, ey: Aus dem Leben einer Familienpsychologin (German Edition)

Titel: Die Schakkeline ist voll hochbegabt, ey: Aus dem Leben einer Familienpsychologin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sophie Seeberg
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einen Satz vor die Füße geworfen. Und nicht selten hatte ich das Gefühl, dass ich mit Stolz angeschaut wurde, nach dem Motto »Das habe ich extra für Sie ganz prima zusammengefasst«.
    Es gab auch oft Situationen, in denen der Dolmetscher und mein Gesprächspartner einen Dialog in der jeweiligen Fremdsprache begannen, den ich mit Hinweis auf die Begutachtungssituation unterbrechen musste. Kann sein, dass ich dabei nicht immer so ganz freundlich blieb …
    Zur Verteidigung hörte ich dann Sätze wie: »Ich habe dem Mann nur erklärt, dass er das so nicht machen kann. Das ist doch klar. Und das sehen Sie ja wohl auch so, oder?!«, »Na, das muss man der Mutter doch sagen, dass sie mit solchen Aussagen wohl kaum ihre Kinder wiederbekommt!«.
    Es war oft erstaunlich schwer, dem jeweiligen Dolmetscher klarzumachen, dass das zwar rein inhaltlich sicher stimmte und sie ja auch recht damit hätten, dass dies aber wirklich nicht zu ihren Aufgaben gehörte, dass sie solche Äußerungen unbedingt unterlassen sollten und bitte einfach nur übersetzen!
    Meist waren diese Dolmetscher eben sehr mitfühlend und konnten schlecht ertragen, mit anzusehen und ja auch auf eine Art dazu beizutragen, wie jemand für ihn nachteilige Dinge von sich gab. Rein menschlich habe ich dafür natürlich Verständnis und finde es auch irgendwie rührend, aber vom beruflichen Standpunkt aus muss ich sagen, dass ein solches Verhalten schlichtweg unprofessionell und nicht hilfreich ist.
    Ich erinnere mich noch an eine Dolmetscherin, die sich nicht wegen eines Zuviels an Mitgefühl inakzeptabel verhielt, sondern weil sie von den Ausführungen der Mutter, für die sie übersetzen sollte, unglaublich genervt war. Sie verdrehte, während diese sprach, ständig die Augen, stöhnte und schlug sich einmal sogar mit der flachen Hand an die Stirn. Hier halfen auch keine Erklärungen und Bitten meinerseits. Ich musste das Gespräch abbrechen und einen neuen Termin mit einer anderen Dolmetscherin vereinbaren. Die dann übrigens während des Gespräches in Tränen ausbrach …
    Ich bin dazu übergegangen, vor den Terminen ein sehr ausführliches Gespräch mit den Dolmetschern zu führen und ihnen zu erklären, warum es so wichtig ist, genau zu sein und unverfälscht wiederzugeben. Ich bereite sie auch darauf vor, dass das Gehörte oftmals verstörend sein kann oder sie Gedanken haben werden wie »Nein, das kann sie doch jetzt so nicht sagen!« oder »So bekommt er seine Kinder doch nie zurück« und sie das Bedürfnis haben könnten, etwas an der Situation verbessern zu wollen. Seitdem habe ich deutlich weniger Schwierigkeiten mit Dolmetschern. Und ärgere mich eher über mich selbst, weil ich nicht viel früher auf die Idee gekommen bin, dass es deutlich besser laufen würde, wenn ich mir mehr Zeit nehmen würde, um diese Menschen intensiv darauf vorzubereiten, was sie erwartet.
    Es gibt aber auch ganz hervorragende Übersetzer, denen ich schon während meines Einführungsgespräches anmerke, dass sie all das wissen, und die dann bei meinen Bitten, aber auch wirklich wörtlich zu übersetzen, fast beleidigt sind.
    Ein türkischer Dolmetscher sagte einmal zu mir: »Frau Seeberg, das ist, als würden Sie einem Architekten erklären, was er tun muss, damit das Haus nicht wieder in sich zusammenfällt!«
    Recht hatte er. Seitdem sage ich dazu, dass ich all das wegen schlechter Erfahrungen mit Übersetzern so ausführlich erkläre.
     
    Bei der russischen Familie hatte ich großes Glück. Ich hatte eine fantastische Dolmetscherin. Sie übersetzte wörtlich und nahm dabei die Haltung und Stimmlage der Mutter an, für die sie übersetzte – umgekehrt genauso. Nach kurzer Zeit war es fast so, als würde ich direkt mit der Mutter sprechen. Das machte das Gespräch für sie und auch für mich bedeutend einfacher.
     
    Die Mutter, um die es ging, Frau Michalkow, hatte sieben Kinder. Vier davon waren schon erwachsen und lebten in Russland. Sie waren damals, als Frau Michalkow nach Deutschland gegangen war, nicht mitgekommen, sondern bei Verwandten geblieben. Frau Michalkow erklärte später, sie habe gefunden, Deutschland sei nichts für Kinder. Auch habe sie sich gedacht, dass es mit vier Kindern viel schwieriger wäre, eine Wohnung zu finden. Deshalb habe sie sie eben in Russland gelassen.
    Zwei Kinder lebten im Haushalt der Eltern, ein Kind, das jüngste, um das es bei meiner Begutachtung ging, lebte seit seiner Geburt bei Pflegeeltern und war inzwischen fast

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