Die Schakkeline ist voll hochbegabt, ey: Aus dem Leben einer Familienpsychologin (German Edition)
fünf. Die beiden Kinder, die im Haushalt lebten, zwei Jungen von vierzehn und sechzehn Jahren, hatten einige Jahre in einem Kinderheim verbracht und waren erst vor einem Jahr wieder zu ihrer Mutter zurückgekehrt.
Frau Michalkow hatte ein massives Alkoholproblem und sich nicht wirklich um ihre Kinder gekümmert. Die beiden Jungen hatten sich mehrfach in der Schule versteckt und sich dort einschließen lassen, um nicht nach Hause zu müssen. Ob Frau Michalkow dies überhaupt bemerkt hatte, blieb unklar.
Der ältere der beiden Jungen hatte sich schließlich einem Lehrer gegenüber geöffnet und berichtet, dass sie sich zu Hause quasi um sich selbst und auch noch um ihre Mutter kümmern müssten. Die beiden waren sieben und neun Jahre alt, als sie in ein nahe gelegenes Kinderheim kamen, wo sie in einer kleinen Wohngruppe lebten und weiterhin ihre Schule besuchen konnten.
Frau Michalkow wurde nach einigen Jahren mit einer schweren Alkoholvergiftung in ein Krankenhaus eingeliefert. Sie ließ sich danach zu einer Behandlung in einer Suchtklinik überreden und lernte dort ihren aktuellen Lebensgefährten, Herrn Iwanow, kennen. Von ihm wurde sie noch während des Kliniksaufenthaltes schwanger. Die Klinikleitung informierte das zuständige Jugendamt, weil sie Frau Michalkow noch nicht für stabil genug hielten, sich alleine um einen Säugling zu kümmern.
Zunächst zeigte sich Frau Michalkow kooperativ. Sie nahm die Hilfe des Jugendamtes bei der Wohnungssuche und allen Ämtergängen an, stellte einen Antrag auf Hilfe zur Erziehung und ging sogar regelmäßig zum Gynäkologen. Das hatte sie, wie sie nicht müde wurde zu betonen, bei keinem ihrer anderen sechs Kinder getan, und die seien schließlich auch irgendwann, irgendwie zur Welt gekommen.
Einige Wochen vor der Geburt gab es einen Polizeieinsatz bei Bekannten des Herrn Iwanow. Es war zu einer Massenschlägerei gekommen, in die auch Herr Iwanow und die hochschwangere Frau Michalkow verwickelt gewesen waren. Herrn Iwanows Platzwunden wurden stationär behandelt oder sollten es … Er wurde im Behandlungszimmer derart gewalttätig, dass er zwei Krankenschwestern verletzte – die eine sogar so schwer, dass sie erst nach einigen Monaten wieder ihren Dienst aufnehmen konnte. Man stellte bei ihm einen Blutalkoholwert von 3 , 4 Promille fest. Es wurde noch einmal nachgemessen, weil man sich kaum vorstellen konnte, dass Herr Iwanow mit derart viel Alkohol im Blut überhaupt noch in der Lage gewesen war zu randalieren.
Da Frau Michalkow ebenfalls alkoholisiert wirkte, wurde auch bei ihr ein Test gemacht. Das Ergebnis war 2 , 4 Promille. Ein alarmierend hoher Wert.
Da sie auf der Behandlungsliege einfach einschlief, konnte man Frau Michalkow glücklicherweise ohne Diskussionen im Krankenhaus behalten. Ihr Sohn, Boris, kam am folgenden Tag zur Welt. Er war klein, unruhig, und die Ärzte hatten den begründeten Verdacht, dass Frau Michalkow nicht nur »dieses eine Mal«, wie sie erklärte, sondern mehrfach während der Schwangerschaft Alkohol getrunken hatte.
Nachdem sowohl Frau Michalkow als auch Herr Iwanow keinerlei Einsicht zeigten, sondern den Antrag auf Hilfe zur Erziehung wieder zurückzogen und erklärten, ihnen käme niemand ins Haus, der sich in alles einmischt, wurde Boris in einer Pflegefamilie untergebracht. Es gab regelmäßige Kontakte zwischen Eltern und Kind, die nach einigen Monaten nur noch sporadisch begleitet wurden. Etwa drei Jahre später wirkte es so, als hätten sich die Eltern stabilisiert. Das Jugendamt vertrat die Ansicht, dass die beiden älteren Kinder in naher Zukunft wieder zur Mutter zurückkehren könnten.
Bald darauf erklärte Frau Michalkow nach einem Besuchskontakt mit Boris, sie werde ihn nun nicht mehr zu den Pflegeeltern zurückbringen. Ihre beiden älteren Söhne seien wieder bei ihr, also gefälligst auch ihr jüngstes Kind.
Im Grunde war diese Schlussfolgerung ja durchaus nachzuvollziehen. Allerdings war Boris in einer anderen Situation als seine Brüder. Er war bei seinen Pflegeeltern aufgewachsen, empfand sie und seinen älteren Pflegebruder als seine Familie, hatte seine leiblichen Eltern nur alle vier Wochen für einige Stunden gesehen und sprach kein Wort Russisch.
Und seine Eltern kaum Deutsch.
Erstaunlich finde ich immer wieder, dass Menschen jahrelang in einem Land leben können, ohne die Sprache zu erlernen. Frau Michalkow lebte seit siebzehn Jahren in Deutschland, konnte zwar alltägliche Dinge wie Einkaufen
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