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Die Schakkeline ist voll hochbegabt, ey: Aus dem Leben einer Familienpsychologin (German Edition)

Die Schakkeline ist voll hochbegabt, ey: Aus dem Leben einer Familienpsychologin (German Edition)

Titel: Die Schakkeline ist voll hochbegabt, ey: Aus dem Leben einer Familienpsychologin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sophie Seeberg
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so Augen wie du. Ich hab ja andere Augen. Siehste? So blaue. Ist das auch schön?«
    »Du hast wirklich sehr schöne Augen, Lara. Aber sag mal, die Frau in dem Film … Was war denn mit der?«
    »Und dann war da bei der Frau da nur der schwarze Balken da am Mund. Die ist dann auch gehauen worden und so was … Aber wenn der Papa das bei mir gemacht hat, hat er nur so normales Tesa genommen. Das sieht dann voll behindert aus und gar nicht schön! Und nee, das … Ja, das … Ich find das so gemein, dass er mir den Mund zuklebt. Das ist doof. Und dass das so doof aussieht, das ist auch gemein. Ich hab dann aber auch immer Angst, weil einmal hab ich so doll geweint und dann hab ich gar keine Luft mehr gekriegt. Also, durch die Nase und nicht durch den Mund, da war ja das Tesa drauf. Der Papa hat das dann abgemacht. Das fand ich nett von dem. Weil sonst wär ich ja vielleicht erstickt. Das wär ja auch nicht schön gewesen.«
    Lara berichtete noch von anderen Misshandlungen und davon, dass sie sich um ihre kleine Schwester gesorgt habe. Die habe manchmal so sehr geweint, aber sie habe ihr nicht helfen können, weil sie in ihrem Zimmer eingesperrt gewesen sei.
    »Sag mal, Lara, als das alles passiert ist, wo war denn deine Mama? War sie zu Hause, im gleichen Raum oder woanders?«
    »Die hat dem Papa ja dann meistens gesagt, er soll mit dem Scheiß aufhören, aber der hat dann immer nur gesagt, dass sie ruhig sein soll. Und dann hat die Mama nichts mehr gesagt und ist zu Astrid nach nebenan gegangen. Da war die Mama dann immer, wenn der Papa gesagt hat, sie soll ruhig sein und sich nicht einmischen und so.«
    »Hat deine Mama auch manchmal geschimpft?«
    »Ja, klar hat die auch geschimpft. Also nicht nur mit dem Papa. Mit dem ja nicht so oft, weil der dann gesagt hat, sie soll bloß ruhig sein und so. Mit uns hat die geschimpft. Alle Eltern schimpfen mit Kindern. Das muss so sein.«
    »Welches Schimpfen war denn schlimmer? Das von Papa oder das von Mama, oder waren die beide gleich?«
    »Das von … ähm … von Papa. Die Mama hat dann nicht noch so doll gehauen, sondern nur mit der Hand so.« Sie zeigt einen Schlag auf ihren Oberarm. »Manchmal auch geboxt. So in die Seite, da am Bauch. Aber das hat nicht so doll weh getan. Also, nicht so, wie wenn der Papa so was gemacht hat. Und die Mama hat auch nicht so laut gebrüllt, wenn die geschimpft hat. Nur ins Zimmer geschubst hat die uns. Da ist die Celina mal schlimm hingefallen, und da hat dann der Papa auch noch geschimpft und so …«
     
    Als wir mit dem Gespräch fertig waren, spielten wir noch eine Runde »Lotti Karotti«, was derzeit Laras Lieblingsspiel war und sie ganz wunderbar zum Lachen brachte, wenn einer meiner Hasen in einem Loch verschwand. Als ich sie vom Besprechungsraum nach unten in ihre Gruppe brachte, umarmte sie mich ganz fest, schaute zu mir hoch und flüsterte: »Kommst du wieder? Ja?«
    Das sind Momente, die auch nach vielen Jahren Berufserfahrung nach wie vor dazu führen, dass ich mit einem dicken Kloß im Hals zum Auto gehe. Natürlich möchte ich wiederkommen. Und am allerliebsten, um einfach nur so oft mit Lara »Lotti Karotti« zu spielen, wie sie möchte. Damit sie ganz viel unbeschwerte Zeit genießen kann, die sich dann vielleicht irgendwann wie ein Pflaster auf ihre misshandelte Kinderseele legt. Damit sie weiß, dass sie es wert ist, dass man sich mit ihr beschäftigt. Damit sie spürt, dass ihre Eltern eine Ausnahme sind, dass deren Verhalten falsch und widerwärtig war und nichts mit ihr zu tun hatte, sondern nur mit der kranken Psyche ihrer Eltern. Damit sie wieder daran glauben kann, dass das Leben schön ist.
     
    Frau Becker hatte ihre Töchter in der Wohngruppe trotz angebotener Besuchskontakte (in Begleitung durch einen Mitarbeiter des Heimes selbstverständlich) nur einmal besucht. Der Mitarbeiter, der den Kontakt begleitet hatte, berichtete mir, dass die Mutter zwar in der ersten halben Stunde mit den Kindern gespielt, dann aber die Mädchen auf dem nahe gelegenen Spielplatz sich selbst überlassen habe. Sie habe dazu erklärt, dass man Kinder ja nicht » 24  Stunden am Stück« beschäftigen, sondern sie auch »mal alleine spielen« lassen müsse.
     
    In den Gesprächen mit mir blieb die Mutter bei ihrer Behauptung, nichts von den Misshandlungen durch den Vater gewusst zu haben. »Ich hab da nichts von mitbekommen. Und ich kann mir auch gar nicht vorstellen, dass der das wirklich gemacht hat. Keine Ahnung, wieso der

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