Die Schakkeline ist voll hochbegabt, ey: Aus dem Leben einer Familienpsychologin (German Edition)
verdrehte die Augen, und Richter Nauerz zischte ein »Herr Kuben, bitte!«.
Frau Dickmann war kurz aus dem Konzept gebracht.
»Was? Ach so … Warum die in die Klapse … Ja, da fragen Sie noch? Die denkt, der Mischael braucht Hilfe! Bei was denn bitte schön? Der kann das alles alleine!«
Ich sah, wie Frau Hellmann das »alleine« mitsprach und gleich darauf wieder mit unterdrücktem Kichern in ihrer Tasche kramte. Wenn sie gekonnt hätte, wäre sie vermutlich hineingekrochen, um in Ruhe lachen zu können.
»Die will meinen Sohn in eine Anstalt stecken! Ja, ich glaub, ich spinne! So was ist Freiheitsdings … Entführung! Und Körperverletzung! Und Betrug!« Sie wandte sich zu mir um und kam so nah an mein Gesicht, dass ich die Haare auf ihrer Warze am Kinn erkennen konnte. »Sie gehören weggesperrt, wissen Sie das? Sie haben doch von nichts eine Ahnung. Wer Sie auf die Menschheit losgelassen hat, gehört …«
Richter Nauerz reichte es. Er unterbrach Frau Dickmann und erklärte, dass sie nun bitte auch ihren Sohn und dessen Anwalt zu Wort kommen lassen solle.
»Jaaahaa, der Herr Anwalt, der ist ja auch …«
»Frau Dickmann, ich ermahne Sie hiermit ausdrücklich. Sie tragen bitte nur noch etwas zur Verhandlung bei, wenn Sie gefragt werden.«
»Und über Sie werde ich mich auch beschweren! Sie Gerichtsheini!«
Frau Hellmann tauchte aus ihrer Tasche auf und sah den Richter interessiert an. Würde er Frau Dickmann nun des Saales verweisen?
Nein. Er hatte sich entschlossen, das Problem, also Frau Dickmann, einfach zu ignorieren.
Herr Nauerz führte die Verhandlung weiter und tat so, als sei Frau Dickmann gar nicht da. Und diese hielt sogar ihren Mund und beschränkte sich auf ein gelegentliches verächtliches Schnauben.
Herr Dickmann sagte insgesamt wenig bis gar nichts und ließ seinen Anwalt die Dinge regeln.
Als der Richter am Ende der Verhandlung in sein Diktiergerät sprach, dass Herr Dickmann mit seinen Kindern zum nächstmöglichen Zeitpunkt in die Einrichtung für Familien gehen würde, um mit Unterstützung der dortigen Fachkräfte zu einer hinreichenden Erziehungsfähigkeit zu gelangen, wurde Frau Dickmann tatsächlich noch einmal laut und beschimpfte den Richter, dass er mit mir unter einer Decke stecken würde – und das womöglich im wörtlichen Sinne, denn man wisse ja, wie so was laufe. Erst die Androhung einer Anzeige wegen übler Nachrede ließ sie innehalten. Herr Dickmann murmelte ein peinlich berührtes »Mama …!« vor sich hin.
Der Richter erklärte außerdem, dass sie umgehend den Saal zu verlassen habe, wenn sie auch nur ein Wort sagen würde. Frau Dickmann schnappte nach Luft, hielt aber den Mund.
Herr Nauerz sah ein wenig erschöpft aus. Aber wir hatten es geschafft, dass nun doch alles so laufen würde, wie ich es mit Herrn Dickmann besprochen hatte.
Wie erfreulich.
Die Sitzung wurde geschlossen.
Frau Dickmann stürmte sofort auf mich zu, schubste sogar ihren »Mischael« achtlos zur Seite und fuhr ihren wütenden Zeigefinger aus, als wollte sie mir damit das Augenlicht nehmen, da stellte sich Herr Kuben der dicken Frau einfach in den Weg.
Wie ritterlich.
Herr Kuben grinste mich an. »Ja? Finden Sie?«
Oh, ich hatte offensichtlich laut gedacht und versuchte erst einmal davon abzulenken.
»Na ja, irgendwie schon. Aber dass Sie nachfragen, wenn jemand meint, ich sollte in eine Anstalt eingeliefert werden …«
»Stimmt. Wozu nachfragen, wenn ich das nach den vielen Verhandlungen mit Ihnen ja auch selbst wissen sollte.«
Er lachte. Ich versuchte empört zu schauen. Es misslang. Also lachte ich mit.
»Auf Wiedersehen, Frau Seeberg. Es war mir wie immer ein Vergnügen. Ich hoffe, das nächste Mal sind wir nicht schon wieder einer Meinung. Das wird ja langsam öde. Ich streite mich doch so gern mit Ihnen.«
Er winkte dem Richter zu, rief: »Tschüss, Sie Gerichtsheini!«, und verließ pfeifend den Saal.
Herr Nauerz schaute kopfschüttelnd hinter ihm her, konnte sich aber ein Grinsen nicht verkneifen.
Ich hatte ein Vierteljahr später wegen eines anderen Falls in der Einrichtung zu tun, in der Herr Dickmann mit seinen Kindern untergebracht worden war.
Natürlich erkundigte ich mich bei der pädagogischen Fachkraft nach dem Verlauf der Maßnahme. Karin Weber, eine sehr große und korpulente Frau um die fünfzig, berichtete mit blitzenden Augen: »Der macht sich gut, der Herr Dickmann. Dem muss man zwar immer wieder sagen, er soll nicht so ein
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