Die Schakkeline ist voll hochbegabt, ey: Aus dem Leben einer Familienpsychologin (German Edition)
minder fließendem Übergang zu Freunden werden, die weiterhin gemeinsam Eltern sein können. So können die Kinder die wertvolle Erfahrung machen, dass eine Trennung nicht zwangsläufig mit gegenseitigen Vorwürfen und großem Streit enden muss, sondern dass daraus auch etwas Gutes entstehen kann. Ich kenne Familien, in denen gemeinsam mit neuen Lebenspartnern und Stiefgeschwistern Weihnachten gefeiert oder sogar Urlaube verbracht werden, was ich persönlich einfach wundervoll finde. Leider sind solche Familien noch immer die Ausnahme.
Selten ist jemand nach der Trennung eines Paares weiterhin mit beiden Teilen befreundet. Natürlich gibt es Freunde, die ohnehin eher die Freunde des einen oder anderen waren, aber auch Menschen, die vor der Trennung gesagt hätten, sie sind mit beiden befreundet, werden früher oder später den Kontakt zu einem von beiden auf ein Minimum beschränken. Niemand würde von ihnen verlangen, nach einer Trennung gefälligst mit beiden Teilen des Paares gleichermaßen befreundet zu bleiben, weil klar ist, dass man dadurch unweigerlich in Loyalitätskonflikte gerät. Weil man diese Konflikte kaum lösen kann und dadurch extrem belastet würde, sofern einem diese Menschen etwas bedeuten.
Was darf man dem anderen erzählen? Was soll man tun, wenn der andere nachfragt? Wie reagiert man auf Versuche des einen, den anderen schlechtzumachen? Wem darf man was anvertrauen, und wem muss man was verschweigen? All diese Fragen schwirren uns nach der Trennung eines befreundeten Paares im Kopf herum.
Für Kinder ist das nicht anders. Nein, das stimmt nicht. Es ist anders. Es ist viel, viel schwieriger, weil bedeutungsvoller und existentieller.
Man sollte meinen, dass das ja jedem Elternteil klar oder zumindest schnell erklärbar sein müsste. Theoretisch ist das auch so.
Wenn ich jemandem sage, dass es für Kinder nach einer Trennung der Eltern sehr schwierig ist, damit umzugehen, dass die beiden Menschen, die es am meisten liebt, einander aber nicht mehr lieben, ja sogar oft wütend aufeinander sind und sich inzwischen noch nicht einmal mehr leiden können, dann nickt derjenige verständnisvoll mit dem Kopf und seufzt wahrscheinlich ein wenig mitleidig. Im Grunde sind sich auch jeweils alle darin einig, dass Kindern selbstverständlich auch nach einer Trennung beide Elternteile so weit wie möglich erhalten bleiben sollen.
Wenn ich das Gleiche aber einer Mutter sage, die gerade vor Gericht dafür kämpft, dass der Vater der Kinder keinen Kontakt mehr haben soll, dann wird sie mir zwar ebenfalls zustimmen, aber sofort ausführlich erläutern, warum das in ihrem Fall etwas ganz anderes sei und dass es hier sogar eine Kindeswohlgefährdung bedeuten würde, wenn weiterhin Kontakte zum Vater stattfinden würden.
Es ist tatsächlich so, dass es meist die Mutter ist, die Umgangskontakte zum Vater verhindern will. Das liegt meiner Ansicht nach aber in erster Linie daran, dass Kinder nach einer Trennung eben häufig bei der Mutter bleiben, schon alleine weil die meisten Paare eine klassische Rollenaufteilung haben.
Ich habe sehr viele Fälle begutachtet, in denen allein der Konflikt der Eltern dazu geführt hatte, dass eine Mutter versuchte, Besuche ihrer Kinder beim Vater zu verhindern. Es waren so viele Fälle, dass ich im Laufe der Jahre tatsächlich hin und wieder gegen einen »Ach, das schon wieder«-Effekt kämpfen musste.
Mit diesem Effekt müssen sich auch andere Fachleute herumschlagen: Jugendamtsmitarbeiter, Anwälte, Verfahrenspfleger, Richter … Man ist irgendwann wahnsinnig genervt von »diesen umgangsverhindernden Übermüttern«, wie eine Richterin sie nannte, dass man Gefahr läuft, nicht mehr richtig zuzuhören und womöglich vorschnell nach dem Motto »Schon wieder so eine« zu urteilen.
Denn natürlich gibt es durchaus Fälle, in denen der Umgang der Kinder mit dem getrennt lebenden Elternteil ausgeschlossen, eingeschränkt oder auch begleitet werden muss. Und um nicht womöglich einen solchen Fall mit einem reinen »Ich finde meinen Ex-Mann bescheuert und gebe ihm deshalb die Kinder nicht mehr«-Fall zu verwechseln, muss man sich selbstverständlich mit jeder Mutter, die findet, dass es für ihre Kinder schädlich ist, den Vater zu sehen, eingehend beschäftigen.
Ende gut, alles gut?
Aber zurück zu Frau Scholz, die noch immer weinend am Tisch saß.
Sie schluchzte nicht mehr. Sie saß einfach nur da. Die Tränen, die ihr über das Gesicht liefen, waren das Einzige, das sich an
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