Die Schakkeline ist voll hochbegabt, ey: Aus dem Leben einer Familienpsychologin (German Edition)
sollte.«
»Der sollte mir mal mehr Taschengeld geben. Mit den paar Euros kann ich ja voll nichts anfangen. Da muss ich mich ja immer vom De und vom Ef und so einladen lassen …«
Der Ef war neu, den hatte sie bislang nicht erwähnt.
Ich wüsste gerne, warum die Namen ihrer Freunde nur aus Anfangsbuchstaben bestanden. War das cool? Waren Mandy die Namen vielleicht einfach nur zu lang? Ich fragte lieber nicht nach. Stattdessen unternahm ich noch einen letzten Versuch, etwas über ihren Vater zu erfahren.
»Mandy, warte mal. Ich meinte damit nicht, was dein Vater dir gegenüber anders machen sollte, sondern, was er mit Kevin und Sandy anders machen sollte. Also, was denkst du? Was sollte er ändern, damit sie wieder zu ihm zu Besuch kommen können?«
»Gar nichts!«
»Gar nichts? Aber …«
»Nee, gar nichts! Ich bin ja froh, dass die nicht mehr zu Besuch kommen. Die haben nur genervt, immer! Ich meine, die sind einfach nur zwei kleine blöde Nervensägen! Die sollen mal schön wegbleiben hier!«
Ich gab auf.
Mein anschließendes Gespräch mit Herrn Scholz fand nicht statt. Er kam nicht. Eine Viertelstunde nach der verabredeten Zeit erreichte ich ihn auf seinem Handy.
»Ah, nee. Das klappt nicht mehr heute. Ich hab doch keine Zeit.«
Wir vereinbarten einen neuen Termin, und ich bat ihn, diesen dann auch wahrzunehmen. Das empörte Herrn Scholz.
»Ja, klar nehme ich den Termin wahr. Was denken Sie denn?!«
Ja, was dachte ich denn?
Im Grunde versuchte ich gerade krampfhaft nichts zu denken …
Meinen nächsten Termin hatte ich mit Frau Scholz. Sie sah aus wie Mandy in älter und hatte leider auch deren Tendenz, Fragen nicht zu beantworten, sondern stattdessen vor sich hin zu plappern. Da sich aber in ihrem Geplapper keine Ems und Des tummelten, sondern viel Persönliches, was mir half, sie besser einschätzen zu können, ließ ich sie zunächst einmal reden.
Ich erfuhr unter anderem, dass Herr Scholz ihre ganz große Liebe gewesen war. Sie hatte von ihren Eltern nie die Aufmerksamkeit und Zuneigung bekommen, die sie sich gewünscht hatte. Immer wurde ihre kleine Schwester vorgezogen. Zumindest aus ihrer Sicht. Den Anekdoten zufolge, die Frau Scholz immer wieder einfließen ließ, hatte sich schon früh ein Kleinkrieg zwischen den Schwestern entwickelt, der sich von harmlosen Streichen bis hin zu massiven Handgreiflichkeiten und Verleumdungsklagen gesteigert hatte. Inzwischen war es »reiner Hass«, wie Frau Scholz berichtete. »Ich hasse die so sehr! Bis an mein Lebensende werde ich die hassen!«
Herr Scholz hatte als erster Mensch in ihrem Leben zu ihr gehalten und ihr sogar mehrfach dabei geholfen ihrer Schwester eins auszuwischen.
»Er war echt toll. Also, der kam auf Ideen, da wäre ich nie drauf gekommen. Wir haben lauter Kleinanzeigen für sie aufgegeben. Sogar in so Sexspalten.«
Frau Scholz bekam einen Lachanfall.
Danach erzählte sie von ihrer Ehe, die wirklich gut gewesen sei. Irgendwie hatte man sich dann aber doch etwas auseinandergelebt, und im Bett sei auch nichts mehr gelaufen. Herr Scholz habe dann eine eigene Wohnung bezogen. »Aber irgendwie waren wir ja trotzdem weiter zusammen. Manchmal war er wochenlang hier. Oder er hat die Kinder abgeholt und danach noch hier gegessen. Das war alles gut so. Echt.«
Sie schwieg.
»Was ist dann passiert, Frau Scholz?«
Frau Scholz knallte ihre Kaffeetasse so heftig auf den Tisch, dass sogar aus der halb leeren Tasse Kaffee spritzte.
Ich wischte mir ein paar Tropfen von der Wange und meinem linken Arm.
»Dieses miese Arschloch! Das verzeihe ich dem nie! Niemals! Solange ich lebe! Nie!«
Sie fegte die Kaffeetasse vom Tisch und brüllte mich an:
»Wissen Sie, was der gemacht hat? Wissen Sie das??«
Nein, natürlich wusste ich das nicht. Aber ich hoffte sehr, dass ich es nun endlich erfahren würde. Nur bitte nicht in dieser Lautstärke.
»Mit meiner Schwester gefickt hat der! Mit meiner Schwester!!!«
Es ging offenbar noch deutlich lauter.
Allerdings war das ja nun auch … Also, ausgerechnet mit ihrer Schwester … Puh …
Tränen liefen über Frau Scholzens Wangen und hinterließen helle Spuren.
Da saß eine Frau Ende dreißig und wurde überrollt von dem Schmerz, den sie schon als Kind kaum hatte aushalten können. Das Gefühl, nicht geliebt zu werden, nicht gut genug zu sein, neben der Schwester nichts wert zu sein … All das spiegelte sich in ihrem Gesicht wider, das trotz der vielen Farbe plötzlich echt
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