Die Schakkeline ist voll hochbegabt, ey: Aus dem Leben einer Familienpsychologin (German Edition)
schlimm genug, dass sie Mandy an ihn verloren habe. Er würde Kevin und Sandy ganz sicher so sehr gegen sie beeinflussen, wenn er sie erst einmal bei sich hätte, dass auch diese nicht mehr zu ihr zurückkämen. »Und außerdem: Was ist das für ein Mensch! Der hat doch kein Herz! Gar keins! Der ist ein Eisblock! Ein gemeiner Eisblock! Mit dem will ich nie wieder was zu tun haben! Nie wieder!«
In Bezug auf Herrn Scholz blieb es also schwierig.
Daneben sprach Frau Scholz aber an, dass sie vielleicht die Zeit, in der ihre Kinder ohnehin nicht bei ihr lebten, nutzen könnte, um eine Therapie zu machen. »Damit ich mal über meine Schwester wegkomme und über alles das. Das ist ja schon irgendwie krank, was da abläuft. Das seh ich ja auch ein. Und … na ja, und ich hab jetzt auch in letzter Zeit ganz schön viel getrunken. Also, Alkohol getrunken. Ich meine, ich bin keine Alkoholikerin, aber ich … Na ja, wer weiß das schon ganz sicher. Und wenn die Kinder jetzt ja gerade weg sind, dann kann ich ja erst mal alles mit mir selbst in Ordnung bringen, und dann können die auch alle wieder zu mir ziehen. Oder? Dann hab ich ja alles getan, was man tun kann. Richtig?«
Sicherlich wollte Frau Scholz in erster Linie langfristig ihre Kinder wieder bei sich haben, aber dass die Idee einer Therapie und die Vermutung, dass sie zu viel Alkohol trinke, von ihr selbst kamen, ohne dass ich es angesprochen hätte, zeigte mir, dass sie tatsächlich etwas ändern wollte. Zumindest in diesem Moment. Ob sie auch wirklich dabei blieb, würde sich zeigen.
Wir vereinbarten, dass wir uns in der kommenden Woche gemeinsam mit Herrn Oppermann vom Jugendamt zusammensetzen würden, um zu besprechen, was die nächsten Schritte wären.
Nur war ausgerechnet Herr Oppermann nicht gerade der motivierteste Mitarbeiter des Jugendamtes. Er zeichnete sich eher dadurch aus, dass er die Kakteen auf seinem Schreibtisch pflegte, Akten millimetergenau ordnete und generell am liebsten alleine war. Ich hatte immer das Gefühl, dass ihm die Anwesenheit anderer Menschen zuwider war oder ihn zumindest sehr anstrengte. Das waren nicht die besten Voraussetzungen, um als Mitarbeiter des Jugendamtes einen guten Job zu machen. Jedoch war mir Herrn Oppermanns phlegmatische Haltung schon einige Male zugutegekommen. Die Zusammenarbeit mit ihm gestaltete sich nämlich recht einfach. Es kamen zwar weder konstruktive Vorschläge noch eigenständige Handlungen von seiner Seite, aber eben auch keine Gegenvorschläge oder gar ein Widerspruch. Wenn man ihm zum Beispiel sagte, dass Familie X nun diese oder jene Hilfe benötige, erwiderte er »… aber wie soll ich das begründen?«. Dann bot man ihm an, die Begründung schon mal zu formulieren, so dass er sie nur kopieren und weiterleiten müsste. Dem stimmte Herr Oppermann dann großzügig zu. Und in der Folge wurde die notwendige Hilfe immer bewilligt.
Das Jugendamt war also sozusagen auf meiner Seite.
Und ich war einigermaßen zuversichtlich, dass Frau Scholz bei ihrer einsichtigen und veränderungsbereiten Haltung bleiben würde.
In den kommenden Tagen würde ich bis auf Brigitte den Rest der Familie kennenlernen und mir dann hoffentlich ein klareres Bild machen können.
Da war zunächst einmal der Vater der Kinder, den ich nicht so recht einschätzen konnte. Was war das für ein Mensch?
Einer mit einer dicken Lippe und zwei blauen Augen.
Ja, Herr Scholz sah tatsächlich aus, als hätte er einen Boxkampf hinter sich. Allerdings ohne Boxhandschuhe. Denn an seiner linken Hand konnte man diverse Verletzungen erkennen.
Herr Scholz folgte meinem Blick.
»Ja, der andere hat auch was abgekriegt. So isses nicht.«
Er lächelte etwas unsicher.
Meine Güte, er hatte auch einen Schnitt vor seinem linken Ohr und eine mächtige Schramme am Hals. Er musste in eine ordentliche Schlägerei verwickelt gewesen sein. Vor meinem inneren Auge flogen Stühle durch eine Kneipe, und Männer zerschlugen leere Bierflaschen auf den Köpfen anderer Männer. Dazu erklang ein Bud-Spencer-Terence-Hill-Geräusche-Potpourri.
Herr Scholz unterbrach mein Gehirnkino.
»Aber kommen Sie doch rein und setzen sich.«
Er hatte offenbar nachgedacht. Und sich auf den heutigen Termin vorbereitet.
Er entschuldigte sich dafür, dass er beim letzten Termin nicht gekommen war, und begann von sich aus über sein Verhältnis zur Schwester seiner Frau zu sprechen.
»Wissen Sie, ich weiß ja, dass das scheiße war. Und dass man das nicht macht
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