Die Schanz
irgendwo noch ein altes Faxgerät herum.
«Kann ich mir in der Zeit dat Boot vornehmen?», drängte Ackermann. «Ich bin schon ganz hibbelig.»
«Du kannst mit uns auf die Politiepost kommen», wandte der jüngere Kollege sich halbherzig an Toppe. Sie boten ihm die Rückbank an und unterhielten sich angeregt während der Fahrt. Er verstand kein einziges Wort.
An der Universität war Mieke Bouma nicht – freitags hielt sie nur ein Seminar ab, und das begann erst um sechzehn Uhr –, bei ihr zu Hause ging niemand ans Telefon. Toppe fluchte ausgiebig und entlockte den Kollegen damit ein Grinsen. Sie brachten ihm eine Tasse Kaffee und die Information, ein Stück die Straße hinunter gäbe es einen guten Chinesen, der ab dreizehn Uhr durchgehend geöffnet habe. Er schaffte es, seinen Kommentar runterzuschlucken, und wählte Lowenstijns Nummer.
«Ja, ich kann dir sogar ganz genau sagen, wo sie steckt», meinte der. «Sie ist bei mir.»
«Aha», antwortete Toppe.
«Da gibt es nichts zu ahaen», gab Lowenstijn barsch zurück.
Toppe schwieg. Offensichtlich war er Wim letzten Montag in Boumas Haus auf den Schlips getreten, aber daran konnte er nun auch nichts mehr ändern, jedenfalls im Moment nicht.
Zehn Minuten später spuckte das Faxgerät mit einem qualvollen Seufzer Mieke Boumas Einwilligung aus, fein säuberlich getippt und unterschrieben, zusammen mit einer Kopie ihres Passes. Toppe wählte Ackermanns Handynummer.
«Ich komm Sie sofort holen, Chef. Boumas Boot hier is’ erste Sahne, aber wat Verdächtiges is’ da nich’ dran, alles normal.»
Auf der Rückfahrt sinnierte er laut darüber, was das Boot wohl gekostet hatte, und dass das Stadthaus in Amsterdam wohl eine hübsche Summe eingebracht haben musste, wenn Bouma sich so etwas leisten konnte. «Dat Häusken in Den Helder is’ nich’ grad gemütlich, ir’ndwie kalt. Ich hab zuerst gedacht, so wohnt doch keiner freiwillig, keine Bilder, nich’ ma’ schöne Lampen un’ all so wat. Aber ich glaub’, der war die meiste Zeit auf seinem Boot. Dat heißt übr’ens genau wie seine Schwester.» Er zwirbelte seine flusigen Bartspitzen. «Verstehen Sie dat? Ich mein, et muss doch wat zu bedeuten haben, dat der sein ganzes Militärzeugs da oben gebunkert hat. In ’nem Aktenschrank! Ich mein, würden Sie sich so ’n Teil in ’t Wohnzimmer stellen?» Gedankenvolle Pause. «Na gut, et sah ja keiner, denn ich glaub ein’tlich nich’, dat der Bouma da oben – wie heißt dat so schön – inne Nachbarschaft integriert war.»
«Glaube ich auch nicht», sagte Toppe und bremste – der nächste Stau. Dieses Land war hoffnungslos überbevölkert. Anscheinend nannte jeder einzelne Bürger ein Automobil sein Eigen und hatte das dringende Bedürfnis, freitags auf den nationalen Autobahnen herumzulungern. Von der nahtlosen Reihe LKWs auf der rechten Spur mal ganz abgesehen. Immer mal wieder verlor einer der Brummifahrer die Geduld – oder war vielleicht einfach nur nickelig – und glaubte, seinen Vordermann, der ungefähr 0,2 km/h langsamer fuhr als er, überholen zu müssen. Und schon hatte man dann den nächsten Stau.
«Die Prozessakten.» Toppe machte eine Kopfbewegung zum Rücksitz hin. «Gucken Sie da doch nochmal rein.»
Ackermann seufzte. «Würd’ ich gern tun, Chef, echt, aber dat würd’ bedeuten, dat ich Ihr schönes Auto voll reiher. Bei de Fahrt kann ich nich’ lesen. Mir wird schon kotzenschlecht, wenn ich bloß auffe Landkarte gucken muss.»
Um kurz vor fünf waren sie wieder in Kleve. «Ich hab Schmacht für zehn», stöhnte Ackermann.
Peter Cox hatte gut sichtbar eine Nachricht an den Bildschirm geklebt: 16 Uhr 50. Muss Besorgungen für meinen Besuch machen, bin aber jederzeit erreich- und einsetzbar. Habe australische Behörden kontaktiert zwecks Verifizierung d. Todes v. Boumas Schwester.
«Wat geht bloß in dem sein Kopp vor?» Ackermann schlug sich gegen die Stirn. «Denkt der, die Schwester hat sich für ’ne Tote ausgegeben un’ is’ dann rübergekommen, weil se ihren Bruder abmurksen wollt? Der is’ mir vielleich’ n Piepken! Wat nu’? Sollen wer dem Peter den ganzen Papierkrempel auffen Tisch knallen, wo er sich doch grad so schön eingearbeitet hat?»
«Ja, natürlich.» Toppe überlegte. «Aber die Prozessakte nehme ich mit nach Hause. Damit kann Astrid sich beschäftigen.»
Ackermann blickte besorgt. «Die hat bestimmt Langeweile. Geht et ihr denn so einigermaßen?»
«Doch, so langsam wird’s besser.» Er
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