Die Schanz
jetzt darf ich sie wieder aufpäppeln, und das in meinem Alter, bitte schön.»
Ackermann machte den Mund auf, hatte jedoch keine Chance.
«Aber man will ja nicht ungerecht sein, oder? Ist nämlich eigentlich ganz fleißig, das Mädel. Hat noch zwei Putzstellen nebenbei, da können sich die deutschen Frauen eine Scheibe von abschneiden, oder wie sehen Sie das? Hoffentlich hat sie was draus gelernt, ich meine, wer lässt sich denn heutzutage noch ein Kind andrehen? Ich bitte Sie!»
«Wohl wahr», meinte Ackermann matt.
«Die Anna wohnt ja bei uns, in der Kammer hinten, wo bis vor vier Jahren noch mein Vater gelegen hat. Den hab ich neun Jahre lang gepflegt. Wer macht so was heute noch, frag ich Sie? Für unsereins ist das selbstverständlich. Was ich sagen wollte, die Anna, wir haben ein Herz für so Leute. Alle anderen wollen nur Saisonarbeiter, aber wir haben zwei Russen fest eingestellt, anständig ausgebaute Zimmer über der Tenne mit Bad und allem Komfort, faire Arbeitsverträge und gutes Geld.»
«Mir kommen die Tränen», raunte Ackermann, Toppe hustete laut.
Heinz Ingenhaag war der Mann mit dem Feuermal, der sich in der Kneipe so anzüglich geäußert hatte.
Er blieb in der Tür stehen. «Was gibt’s?»
Ja, natürlich wisse er, dass Bouma ermordet worden sei, er lese schließlich Zeitung.
«Mich wundert das nicht!» Frau Ingenhaag schnaubte. «Der hat sich doch mit jedem angelegt.»
Der Bauer trat einen Schritt auf Toppe zu. «Und warum kommen Sie ausgerechnet zu mir? Ich habe den Mann kaum gekannt. Der war beim NABU, und mit denen will ich nichts zu tun haben.»
«Willem Bouma hat Sie mehrmals angezeigt, Herr Ingenhaag.»
Der nickte betrübt, seine Frau holte schon wieder Luft, aber als Toppe ihr einen scharfen Blick zuwarf, zog sie es vor, den Mund zu halten.
«Dabei hatte ich eigentlich nichts Schlimmes getan», erklärte der Bauer. «Bloß ein paar Mal im Winter Jauche gefahren. Gucken Sie sich doch mal an, wie viele Tiere ich hier stehen habe, irgendwo muss das Zeug doch hin, wenn die Grube voll ist. Aber ich weiß schon, dass das nicht in Ordnung war, deshalb habe ich es dem Bouma auch nicht krumm genommen.»
«Ja, Heinz», meldete sich Ackermann zu Wort, «auf den guten Mann, dem de nix krumm genommen has’, sind inne letzten Monate ’n paa’ ganz fiese Anschläge verübt worden.»
Ingenhaag machte große Augen. «Ehrlich?»
«Was denn für Anschläge?», kam es von Agathe.
Ackermann zählte bereitwillig auf.
Ingenhaag schüttelte betrübt den Kopf. «So was!»
Toppe fixierte ihn, das Feuermal färbte sich dunkel. «Ich möchte Sie am Montag um zehn Uhr im Präsidium sehen, allein, KK 11, erster Stock.»
«Löwenmäßig gebrüllt, Chef», grinste Ackermann, als sie zum Wagen gingen. «Der könnt’ zu knacken sein, wenn wer den alleine zwischen de Finger kriegen. Ach, jetz’ haben wer den ga’ nich’ gefragt, ob der ’n Fremden gesehen hat inne fragliche Zeit.»
Toppe guckte ihn nur an.
«Nee, schon klar.» Ackermann lachte. «Der hat schon immer unterm Pantoffel gestanden, arme Socke.»
«Aber mit dieser Frage werden wir uns jetzt mal ins Dorf begeben.»
«Ach wat?»
«Ich rufe Astrid an, sie soll uns die Nummer der ‹Inselruh› raussuchen. Frau Lentes kann uns ein Tor aufmachen.»
«Wenn Se da ma’ nich’ Sand dran haben.»
Toppe musterte ihn finster. «Und dann knöpfen wir uns jeden einzelnen Erwachsenen im Dorf vor.»
Dreizehn
Bea Lentes konnte ihnen nicht öffnen. Sie würden gar nicht erst bis ans Tor kommen, meinte sie, aber es gäbe eine andere Möglichkeit, ins Dorf zu gelangen. Sie sollten rechts um Schenkenschanz herumgehen, am hinteren Fluttor vorbei, bis zu der Stelle, wo das Erdreich zur Mauerkrone hin anstieg. «Ich schieb Ihnen eine Leiter rüber und pass auf, dass Sie nichts auf den Kopf kriegen. Aber sehen Sie zu, dass keiner von den Geiern was merkt.»
Toppe steckte das Handy weg. «Wir müssen übers Eis. Das wird ein Spaß.»
«Ha!» Ackermann fischte zwei Paar grobe Wollsocken vom Rücksitz. «Hab ich schon ’n paa’ Tage im Auto. Im Moment weiß man ja nie, wat kommt. Die ziehen wir uns über de Schuhe, dann rutschen wer nich’ so.»
Toppe erklomm die Leiter, schaute über die Mauer und wollte seinen Augen nicht trauen.
Das ganze Dorf war auf den Beinen. Alles lief geschäftig hin und her, schwatzte, lachte. Zum Teil waren die Leute aufs Abenteuerlichste vermummt. An der Festungsmauer waren in gleichmäßigem Abstand Leitern
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