Die Schanz
hingeschleppt? Wat würd’ ich abfackeln, wenn ich Voss wär’? Wat? Dat Haus seiner Alten», murmelte er, als er loslief. «Wat sons’? Bestimmt, bestimmt, bestimmt!» Er stieß die Tür auf und flog nach oben.
Klaus Voss leerte den Rest des Spiritus über Toppes Kopf, da schlug die Wohnungstür gegen die Wand. Voss sah nicht, wen er ansprang, sondern schlug blind mit den Fäusten. Ein Stoß brachte ihn ins Taumeln, er fiel auf die erste Treppenstufe, drehte sich, fiel tiefer.
Toppes Kinn war auf die Brust gesunken. Ackermann kniete sich vor ihn, strich ihm über die Wangen. «Chef? Helmut? Hörst du mich?»
«Ackermann?», kam es undeutlich. «Jupp?»
«Ja! Ja, Jupp. Wir gehn jetz’, Helmut, is’ dat klar. Wir beide machen uns jetz’ vom Acker.»
Wie ein Verrückter zerrte er an den Fesseln. «Hörste den Hubschrauber? Der kommt uns holen. Heilige Maria, Mutter Gottes!» Dann griff er in seine Hosentasche und holte ein Taschenmesser hervor. «Wer sagt et denn? Mein gutes altes Schweizer Messer.» Tränen strömten ihm übers Gesicht, während er säbelte. «Is et nich’ gut, dat ich dat regelmäßig scharf mach’? Bloß no’ ein Bein, Chef. Jetz’! Komm, komm, hoch mit dir!»
Toppe öffnete die Augen, Schlieren, ein Gesicht – Ackermann –, er lächelte, Rotz lief ihm aus der Nase.
«Haalloo? Erde an Helmut, biste wieder da? Dann los!» Er zog ihn mit einem Ruck auf die Füße.
Toppe stöhnte vor Schmerz. «Geht schon, geht schon …»
«Nix geht! Ich nehm dich auffen Buckel. Los, tu die Arme um mich rum!»
«Die spür ich gar nicht.»
«Egal», keuchte Ackermann und packte seine Arme. «Ich hab dich. Los geht et!»
Die ersten Schritte ließ Toppe sich schleifen, die Nase gegen Ackermanns Nacken gedrückt – Schweißgeruch, Seife –, dann wusste er plötzlich, dass das Tosen nicht in seinem Kopf war, das Gurgeln und Zischen, die Glocke.
«Der Eisgang!»
Ackermann zerrte ihn ins Freie. «Du has’ et erfasst. Stehste wieder einigermaßen?» Er sah sich suchend um, der Hubschrauber war über ihnen, aber wo …?
«Da! Der Scheinwerfer. Komm jetz’, dat sind nur ’n paar Meter.»
Toppe tat einen Schritt, strauchelte, noch einen.
Ackermann jaulte auf, kippte Toppe, packte ihn unter den Achseln und schleifte ihn in den Lichtkegel.
«Jetz’ stell dich hin! Du kannst dat. Is’ dat klar? Du kanns’ stehen! Ich muss dich bloß in dat verdammte Geschirr kriegen.»
Toppe stand und sah den Hubschrauber über sich, sah Ackermanns verzweifeltes Gesicht, während er versuchte, die Schnallen am Rettungsgeschirr einzuklinken.
Dann sahen sie beide, wie die Mauer neben dem Fluttor nachgab, der Giebel der «Inselruh» sich vorwölbte.
Er packte Ackermann irgendwie, zog ihn hoch, legte sich dessen Beine um die Hüften, wedelte dann mit beiden Armen. Das Seil straffte sich.
Die «Inselruh» barst. Gebar tosendes, alles zerstörendes Wasser.
Man zog sie hoch, langsam, behutsam. «Wir schaffen et, Chef!» Ackermann umklammerte seinen Nacken. «Wir ham et geschafft, Helmut, wir ham et echt geschafft!»
Der Scheinwerfer des Hubschraubers irrte umher, erfasste eine Gestalt auf dem Glasdach von Rose Wetterborns Küche. Sie winkte und sprang.
Unter ihnen versank die Schanz.
Informationen zum Buch
Das erfolgreiche Trio vom Niederrhein mit einem neuen mitreißenden Krimi!
1988 beschlossen Leenders/Bay/Leenders, gemeinsam Krimis zu schreiben. 1992 erschien ihr Erstling «Königsschießen» und wurde auf Anhieb ein Erfolg. Ihre Bücher um das Klever Kommissariat 11 sind seitdem in jährlicher Folge erschienen.
Was der Schänzer Bauer Dellmann in seiner Erntemaschine findet, ist gewiss nicht auf dem Feld gewachsen. Es ist ein schauerlicher Fund, ein menschlicher Fuß im Herrenschuh. Toppe und sein Team vom Klever Kommissariat 11 müssen, um diesen Mord zu enträtseln, ihre Ermittlungen in alle Richtungen ausdehnen. So krempeln sie auch auf der Schanz das Unterste zuoberst, was die mürrischen Dörfler nur noch abweisender werden lässt.
Selbst als das Rheinhochwasser bedrohlich steigt, verharren die Schänzer nach alter Sitte eingeschlossen hinter Flutmauern. Unter ihnen ist der Mörder.
Informationen zu den Autoren
Hiltrud Leenders, geboren 1955 am Niederrhein, arbeitete zunächst als Übersetzerin und machte sich später als Lyrikerin einen Namen. Sie ist Mutter von zwei Söhnen und seit 1990 hauptberuflich Schriftstellerin.
Michael Bay, geboren 1955 in Rheine, arbeitet als
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