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Die Schanz

Die Schanz

Titel: Die Schanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hiltrud Leenders , Michael Bay , Artur Leenders
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aufgestellt worden, Männer mit Kübeln, Kannen und Eimern standen bereit. Gegen die Hauswände gelehnt Forken und Schüppen. Kinder in Schneeanzügen brachten Thermoskannen, Frauen trugen Tabletts mit belegten Broten.
    «Achtung, da versucht es wieder einer!», brüllte jemand aus einer Dachluke. «Bei Maaßens unterm Küchenfenster.»
    Ein Mann kletterte, zwei andere reichten ihm eine große Emaillekanne.
    Vor der «Inselruh» saß, in dicke Steppdecken gehüllt und von zwei rot glühenden Heizstrahlern eingerahmt, ein Greis und gab Befehle, schickte eine Frau, die eine Palette Eier brachte, zur Mauer am Kriegerdenkmal.
    Ackermann, der hinter Toppe hochgeklettert war, staunte auch. «Et fehlen bloß noch Hühner un’ Ziegen.»
    «Wird das heute noch was?», rief Bea Lentes herauf. «Die Leiter rüber!»
    Toppe und Ackermann setzten sich rittlings auf die Mauer, zogen die Leiter hoch und ließen sie auf der inneren Seite herunter.
    «Wer ist der Alte vor der Kneipe?», wollte Toppe wissen.
    «Dat is’ Molenkamp», antwortete Ackermann, «der Kaiser vonne Schanz. Muss mittlerweile an die neunzig sein, kriegt aber noch alles mit. Der hat schon seit Menschengedenken dat Oberkommando im Dorf, wenn dat Wasser kommt … anscheinend auch bei andere Katastrophen, oder wat die hier dafür halten. Hatte früher ’n Hof in Salmorth, is’ jetz’ der Enkel drauf. War aber auch bis zu der Gemeindereform bestimmt zwanzig Jahre lang Bürgermeister vonne Schanz, wie et mit Salmorth zusammen noch selbständig war. Die reichste Gemeinde im ganzen Kreis, sagt man, weil die ja die Ölwerke hatten.»
    «Ackermann!», schrie Frau Lentes. «Ich hab leider vergessen, mir meinen Zobel umzuhängen, und so langsam friert mir alles ab.»
    Sie beeilten sich herunterzukommen.
    Bea Lentes schlugen die Zähne aufeinander. «Herr Toppe, ich find das so schrecklich mit Bouma», bibberte sie. «Aber da sprechen wir gleich drüber, kommen Sie erst mal ins Warme.»
    Sie hörten den Mann vom Ausguck hämisch lachen. «Wollen doch mal sehen, wer sich eher den Arsch abfriert, wir oder die komischen Pausenclowns da draußen!»
    Der Greis vor der Kneipe ließ die Wirtin passieren, dann streckte er energisch den Arm aus und fetzte Ackermann ein paar Sätze auf Platt um die Ohren. Seine Stimme war altersschwach, doch das änderte nichts am scharfen Tonfall. Er saß gebeugt, seine Hände zitterten, aber man konnte sehen, dass er einmal ein stattlicher Mann gewesen war.
    «Wie bitte?», fragte Toppe.
    Ackermann schaute ihn an. «Er meint, wir sollen verschwinden, und zwar sofort.»
    Toppe sah rot. Mit fahrigen Fingern fischte er seinen Ausweis aus der Tasche und hielt ihn dem Alten unter die Nase. «Ich hab den Zirkus hier satt! Jetzt hören Sie mir mal gut zu, Herr Molenkamp …»
    Aber Ackermann legte ihm sanft die Hand auf den Arm. «Lassen Se ’t gut sein, Chef, ich regel dat schon.»
    Dann fiel auch er in den Dialekt, Toppes Zorn schlug Wogen.
    Schließlich lachte der Greis tonlos und wandte seine Aufmerksamkeit wieder dem Treiben an der Mauer zu.
    «Was haben Sie zu ihm gesagt?», fuhr Toppe Ackermann an.
    «Ach», lächelte der beschwichtigend, «bloß ’n bisken Jokus gemacht. Man muss nich’ immer alles so hoch hängen. Lassen Se uns reingehen.»
    Die Kneipe war gepackt voll. Ein paar Männer standen auf, als sie Toppe sahen, wurden aber von anderen zurückgehalten. «Ist noch Zeit. Wir sind erst in zwanzig Minuten wieder dran.»
    Eine jüngere Frau, die mit einem Glas Grog an der Thekenecke saß, entdeckte Ackermann.
    «Jupp, lang nich’ gesehen!»
    «Heidi, mein Lieblingstanzmäusken!» Er tätschelte ihr beiläufig den Rücken. «Wo haste denn auffem letzten Schützenfest gesteckt? Un’ wie geht et Waldemar?» Er beugte sich zu Toppe. «Dat is’ ihr Bruder, hat nach Rindern geheiratet.»
    Toppe schluckte trocken, das interessierte ihn nun wirklich brennend.
    «Waldemar?» Die Frau lachte hämisch. «Hör mir bloß auf! Sie geht ja nirgends hin, un’ Waldemar darf jetz’ auch nix. Ich mein’, der is’ in keinem Verein mehr. Kannste dir dat vorstellen? Darf der gar nich’. Würdes’ du so ’n Leben haben wollen? Nich’ mal im Schützenverein, nix! Aber ich will nix gesagt haben. Sie liegt ja schon wieder ganz schlecht im Krankenhaus. Weiß ja keiner, wat die hat, spricht man nich’ drüber, aber se muss wohl ganz schwer liegen.»
    Aus dem Saal erklang Musik, wenn man es denn so nennen wollte. Toppe löste sich von Ackermanns

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