Die Schanz
eine zweite in Belgrad gehabt.
Sie fanden mehr Fotos, Schnappschüsse, Ferienerinnerungen. Und sie fanden bündelweise niederländische Zeitungsausschnitte vom Prozess gegen Krstić, kopierte Seiten aus dem NIOD-Rapport und schließlich das Foto: Bouma und Mladić in Tarnanzügen, die Gläser erhoben.
«Wie die wohl da dran gekommen is’ …»
Toppe setzte sich mit angewinkelten Knien auf die Matratze. Natürlich musste van Gemmern hier im Haus Fingerabdrücke nehmen und sie mit denen auf der Tatwaffe und im VW vergleichen, aber auch ohne die Ergebnisse war er sicher. Rose Wetterborn hatte Bouma erschossen. Und ihr Motiv lag ausgebreitet vor ihnen. Sie musste ihn irgendwie in ihr Auto gelockt haben. Bouma hatte seiner Tochter gesagt, er wolle zum Einkaufen, vielleicht hatte Rose Wetterborn – Rose Milovanović – ihm eine Mitfahrgelegenheit angeboten. Er rieb sich die Augen.
«Ich versteh’ bloß nich’, dat die alles, die Knarre, die Tasche, sogar dat Blut einfach so gelassen hat. Sogar noch, als wir hier schon am Rumermitteln war’n», stammelte Ackermann.
«Vielleicht war es ihr einfach egal», antwortete Toppe. «Vielleicht hatte sie keine Kraft mehr, als alles vorbei war.»
«Glaubst du, die war die ganzen Jahre hinter Bouma her, sieben Jahre lang?»
«Ich weiß nicht, aber bis zu dem Prozess in Den Haag ist doch nichts über die Umstände in Srebrenica an die Öffentlichkeit gedrungen, keiner hat von einer Mitschuld der holländischen Soldaten gesprochen.»
«Stimmt au’ wieder.» Ackermann zeigte auf die Koffer. «Auf alle Fälle wollte se jetz’ wohl doch abhauen.»
«Vielleicht hat die Evakuierung sie aufgerüttelt.»
«Un’ noch jemand anders», meinte Ackermann mit belegter Stimme. «Die war no’ nich’ fertig mit Packen, un’ dann die umgekippte Tasche hinter de’ Tür. Die hat einer überrascht, un’ dann hat er se abgemurkst, verbrannt.»
«Aber warum?»
Ackermann hörte nicht zu. «Die Rose is’ unsere Brandleiche, Helmut, hundertpro! ’n Nagel im Unterschenkel un’ dann dat Foto da, Rose mit Gipsbein! Ich geh trotzdem den Kulturbeutel holen, da findet Klaus bestimmt Haare oder wat er sons’ für de Identifizierung braucht.»
Toppe stemmte sich hoch. «Und ich rufe Verstärkung. Zehn, zwölf Leute dürften reichen, jeden Winkel hier zu durchkämmen.»
«Denkste immer noch, dat sich einer ir’ndwo verkrochen hat?»
«Vor allem denke ich, wenn Benzin der Brandbeschleuniger war, muss es irgendwo einen Kanister geben.»
Sie hatten sich gestritten.
Über Zwiebeln, die sie ins Rührei gegeben hatte. Er vertrug keine Zwiebeln und hatte jeden einzelnen Würfel herausgepickt. Sie hatte ihn ausgelacht, und da war ihm der Kragen geplatzt. Erschrocken hatte sie ihn ins Bett gezerrt und ihn wild genommen.
Ausgelaugt und verwirrt lag er jetzt mit dem Kopf in ihrem feuchten Schoß und zeichnete mit dem Zeigefinger kleine Kreise auf ihren Bauch. Neben dem Nabel war ein Geflecht zarter silbriger Linien.
Ihm wurde eiskalt. «Irina? Du hast Kinder.»
«Ich habe einen Sohn», sagte sie matt. «Aber er lebt nicht bei mir, er ist bei meinen Eltern.»
«Wie alt ist er?»
«Vier Jahre.»
«Und warum lebt er nicht bei dir?»
«Ich muss doch arbeiten, aber ich besuche ihn jeden Monat.»
Cox richtete sich auf. «Warum hast du mir nichts davon gesagt?»
Sie seufzte resigniert. «Das weißt du.»
Auf der Schanz hielt sich keiner versteckt.
Die Polizisten hatten das Unterste zuoberst gekehrt, jeden Winkel durchsucht, jeden Dachboden, jeden Schuppen und dabei siebzehn Benzinkanister sichergestellt, die meisten davon leer.
Die Schänzer gingen ihrer seltsamen Wege und gaben vor, das Polizeiaufgebot gar nicht wahrzunehmen. Klaus Voss tauchte hin und wieder auf und beäugte sie, aber Toppe ignorierte ihn – er würde sich später die Zeit nehmen, noch einmal mit jedem Einzelnen zu sprechen.
Jens Molenkamp wurde nervös, als man sich seine Garage vornahm – er hütete seinen alten Mercedes wie seinen Augapfel. «Ich schließ den Kofferraum selber auf», eilte er hinzu. «Da kommt mir keiner dran!»
Sie fanden zwei Zwanzigliterkanister aus gelbem Plastik, beide übersät mit öligen Fingerspuren.
«Warten Sie mal», sagte Molenkamp, als der Beamte die Behälter wegtragen wollte, «sind die etwa leer?»
Toppe, der gerade wieder einmal vergeblich versuchte, van Gemmern zu erreichen, hielt inne.
«Die waren voll!», rief Molenkamp. «Die sind immer voll.»
«Da kannste mal
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