Die Schanz
«Hast du die Frauen gesehen auf dem Flughafen, überall? Sie sind alle so ohne Sorgen, so entspannt, sie haben so schöne Kleider. Die schönsten Kleider gibt es in Paris, nicht wahr? Das weiß man sogar bei uns. Ist es weit bis Paris?»
Cox hielt ihre streichelnde Hand fest, führte sie an seine Lippen. «Fünf, sechs Stunden mit dem Auto.»
«Wir werden zusammen hinfahren», entschied sie und küsste ihn aufs Kinn.
Cox überlief ein Schauer. Er hatte Düsseldorf und Köln im Sinn gehabt, vielleicht Amsterdam. Kleider! Sie verdiente hundertfünfzig Euro im Monat, sechzig kostete allein ihre Wohnung, hatte sie geschrieben.
Da stützte sie sich auf den Ellbogen und schaute ihm in die Augen. «Ich habe Geld gespart, Peter.» Es klang hart. «Seitdem ich hoffte, dich zu besuchen, habe ich gespart und verkauft, was ich nicht brauchte. Ich will kein Geld von dir. Ich habe einen guten Beruf. Ich bin Lehrerin. Ich bin keine …»
«Nein», unterbrach er sie hastig. «Natürlich bist du das nicht.» Er zog sie dichter an sich. «Es ist schön mit dir.»
Ihre Hand flatterte an seinem Körper entlang. «Ja», sagte sie, «und du bist ein sehr starker Mann.»
Um Mitternacht war Astrid schlafen gegangen, aber Toppe kam nicht zur Ruhe. Rastlos tigerte er durchs Haus.
Peter hatte alle Schänzer aufgetrieben – bis auf Rose Wetterborn. Sie war die Einzige, die fehlte. Die Tote im Schuppen, eine Frau, die man gefesselt und angezündet hatte. Warum? Die Garage, der Käfer, Boumas Handtasche. Morgen würde er es genau wissen, aber es sah doch ganz so aus, als sei Bouma in diesem Käfer erschossen worden. Aber nicht in der Garage, den Schuss hätte die ganze Schanz gehört. Zumindest Bea Lentes hätte ihm davon erzählt, Voss auch.
Toppe drückte seine Zigarette aus und ging zum Bücherregal, Brockhaus, Band IX: « Qualmwasser – Grundwasser, das in einer Niederung, durch Wasser von außen hochgedrückt, zutage tritt.»
Einundzwanzig
Toppe schaffte es nicht, um acht Uhr auf der Schanz zu sein.
Zuerst hielt ihn Arend Bonhoeffer auf. «Mit meinen bescheidenen Möglichkeiten komme ich nicht weiter, Helmut. Ich will die Brandleiche heute zur Gerichtsmedizin in Düsseldorf überstellen, dann kann das LKA die DNA-Analyse machen, und möglicherweise werden sie auch sagen können, mit welchem Material sie gefesselt wurde. Etwas Wichtiges habe ich aber noch: Die Frau hat sich vor einigen Jahren den Unterschenkel gebrochen, links, in der Tibia steckt ein Titannagel.»
Dann, als Toppe schon im Auto saß, rief Ackermann an: Klaus van Gemmern wolle sich möglichst schnell mit ihm im Labor treffen. «Ich komm auch hin.»
Also machte er sich auf den Weg zum Präsidium – unruhig und angespannt.
Van Gemmerns Gesicht war wächsern, die Haut so bleich, dass man die Adern durchschimmern sah. Er sprach abgehackt. «Fingerspuren im ganzen Wagen. Auf der Fahrerseite, Lenkrad et cetera, nur von einer einzigen Person. Auf dem Fahrersitz Angorafasern, schwarz, von einem Oberteil, Pullover oder Jacke. Im Fußraum vor dem Fahrersitz Schmutz, viel Schmutz, Erde, könnte Ackerboden sein. Vor dem Beifahrersitz nichts dergleichen.»
«Dat passt doch!», rief Ackermann. «Der Täter erschießt Bouma in dem Käfer, dann schleppt er ihn auf Dellmanns Maisfeld un’ kriegt Erde anne Schuhe. Du bräuchtes’ doch jetz’ bloß ’n paar Schüppkes Lehm von dem Acker, un’ dann könnteste dat vergleichen.»
Van Gemmern hustete würgend. «Und ich brauche Fingerabdrücke aus Wetterborns Haus.»
Toppe schüttelte entschieden den Kopf. «Du bist fix und fertig. Das läuft beides nicht weg. Nimm dir eine Auszeit.»
Van Gemmern stierte ins Leere.
«Komm, Jung.» Ackermann tätschelte ihm die Wange. «Wir fahren dich na’ Haus.»
Van Gemmern zuckte zurück. «Das schaff ich noch.»
An der Pontonbrücke standen im strömenden Regen acht Männer vom THW, alle mit Funkgeräten ausgerüstet.
«Ah, der Boss persönlich heut», rief Ackermann und hüpfte aus dem Wagen zu einem gedrungenen Mann mit blauschwarzem Haar und Bartschatten. «Wie sieht et aus?»
«Müsst ihr unbedingt rüber?»
«Die Schänzer sind do’ au’ da.»
«Die!» Mühsam kontrollierte Wut. «Wir können sie schließlich nicht mit Gewalt rausholen.»
Dann lauschte er einer knarzigen Nachricht aus seinem Funkgerät und nickte schwer dabei.
«Hör zu, Jupp, das Eis fängt an zu reißen, und die Welle kommt, das ist so sicher wie das Amen in der Kirche.»
Ackermann wurde
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