Die Schanz
Brennspiritus auf den Boden und lächelte.
«Ja, so hat sie auch geguckt. Aber ich war ihr ja nicht gut genug. Sie hat gelacht, als ich es ihr gesagt habe. Wozu haben wir denn das Haus umgebaut, wenn nicht für uns beide? Als ich sie mitnehmen will, als ich sie retten will, sagt sie, nein danke, sie kommt sowieso nicht mehr wieder. Gelacht hat sie! Herr Voss! Alles gelogen, alles Verarsche!»
«Sprich mit ihm», ermahnte sich Toppe stumm. «Du musst mit ihm reden, ihn aufhalten.»
Aber es kam ihm kein Satz über die Lippen.
Die Erde schien zu beben. Ein Brausen erfüllte die Luft. In der Ferne immer wieder Detonationen.
Beinahe lautlos glitt die Bodanfähre heran, ein riesiges Getüm im kalten Licht der Notscheinwerfer. Das Eis teilte sich, Wasser gurgelte und zischte.
«Ich muss da drauf! Ich fahr mit rüber!» Ackermann machte sich zum Sprung bereit.
Der THW-Chef hielt ihn fest. «Dafür kann ich die Verantwortung nicht übernehmen.»
«Lass mich los, du Arschloch!» Ackermann hatte Schaum vorm Mund. Er riss den Verschluss seiner Jacke auf und griff nach seiner Waffe, aber van Gemmern fiel ihm in den Arm. «Bist du noch ganz gescheit?»
«Aber ich muss auf die Schanz!»
Cox packte seinen anderen Arm. «Jetzt warte doch ab, Josef … Jupp. Vielleicht kommt Helmut über die Mauer geklettert wie alle anderen auch.»
«Nein!» Ackermanns Stimme überschlug sich.
Der THW-Mann schüttelte nur den Kopf und bestieg die Fähre.
Van Gemmern drückte Ackermanns Hand. «Hörst du’s?»
Der Hubschrauber kam, der Lärm seiner Rotorblätter mischte sich mit dem Brausen. Jetzt sahen sie auch seinen Suchscheinwerfer. Cox winkte mit beiden Armen. Wieder Detonationen.
Als die Fähre sich in Bewegung setzte, gab Ackermann van Gemmern einen Tritt und sprang. Sekundenlang baumelte er an der Reling, die Füße im brodelnden Wasser, dann zogen ihn die Soldaten an Bord.
«Klaus! Klaus!», brüllte er, die Hände zum Trichter um den Mund gelegt. «Wenn ich nich’ wiederkomm, schick den Hubschrauber mit Rettungsgeschirr!»
Van Gemmern hob den Daumen.
Jetzt war der Hubschrauber über ihnen, sein Scheinwerfer strich über die Ebene.
«Gütiger Gott», wisperte Cox, «ein Eisberg, eine Mauer aus Eis und das Wasser drüber weg. Sie kommt! In ein paar Minuten sind wir alle abgesoffen.»
Van Gemmern knurrte unwirsch. «Die sprengen doch die ganze Zeit. Und außerdem stehst du auf einer Pontonbrücke. Die schwimmt.»
«Das übersteht die nie.» Cox ließ sich auf eine Kiste fallen und vergrub das Gesicht in den Händen.
Die Schänzer hockten auf der Mauer, die Leiter bereit.
Ein qualvolles Kreischen in der Luft, eine gewaltige Explosion, dann nur noch entsetzliches Brüllen. Die Fähre drehte langsam bei, und die Leiter knallte herab.
Als Erster kam Jens Molenkamp, seinen Urgroßvater auf dem Rücken, dann die Schwiegertochter, Dellmann, Dahmen, einer nach dem anderen.
«Wo ist der Chef?», schrie Ackermann sie an. «Wo ist Voss?»
Aber er blickte in starre, leere Gesichter.
Da schob er das Funkgerät in den Hosenbund und setzte den Fuß auf die Leiter. Der THW-Chef hielt ihn zurück, packte ihn bei den Schultern. «Jupp, wir können sprengen, soviel wir wollen, das Satansding halten wir nicht auf. In weniger als zehn Minuten haut das hier die Mauer weg.»
«Is’ gut.»
«Wir können mit der Fähre nicht warten.»
«Weiß ich.»
Erst als er auf der Mauer stand, packte ihn die Panik. Die Kirchenglocke – ein leiser Schlag, ein zweiter, kräftiger, ein dritter.
«Wer läutet die Glocken?» Toppe spürte, wie das Brodeln in seinen Ohren wieder zunahm.
«Der Rhein?» Voss schmunzelte amüsiert.
Er hatte eine ganze Flasche Spiritus unter dem Stuhl ausgeleert. «Das gibt eine schöne Stichflamme, direkt in deine Eier.»
Jetzt zog er mit der zweiten Flasche Spirituskreise um Toppe herum.
«Ich glaube, ich …» Toppe nahm alles zusammen, was ihm an Kraft übrig geblieben war. «Ich kann verstehen, warum Sie das tun. Ich möchte nur gern wissen …»
«Komm mir nicht mit der Nummer», spie Voss. «Die hätte ich dir beinah abgekauft, tatsächlich. Dabei hast du mich auch bloß verarscht. Aber damit ist jetzt Schluss, ein für alle Mal, Schluss mit dämlich.»
«Heilige Maria, Mutter Gottes!» Ackermann rannte im Dorf hin und her, bollerte gegen Fenster, riss Türen auf, schrie nach Voss. «Bitte für uns Sünder!»
Dann blieb er stehen, presste die Fäuste gegen die Schläfen. «Wo? Wo hat er ihn
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