Die scharlachrote Spionin
lautlos. Zwar war sie Lord Kirtland noch nie begegnet, aber Shannon hatte behauptet, dass Byrons poetische Helden im Vergleich zu diesem Earl mit rabenschwarzem Haar recht blass aussahen ...
»... ich meine, dass Sie keinen Grund haben werden, sich zu beklagen. Vertrauen Sie mir«, schloss die Direktorin.
»Ich bitte um Verzeihung.« Sofia riss sich aus ihren Grübeleien.
»Mrs. Merlin will nur sagen, dass Sie Ihre Situation genauso herausfordernd finden werden wie die, denen Ihre Freundinnen sich gegenübersahen.« Das Kerzenlicht fing sich in den tiefen Sorgenfalten seiner Augenwinkel, als Lynsley sich umdrehte. »Und nicht weniger gefährlich. In der Tat, um aufrichtig zu sein, ich habe lange gezweifelt, ob ich überhaupt jemanden bitten soll, den Auftrag zu übernehmen. Es ist vielleicht eine Unmöglichkeit, sogar für einen Merlin.«
»Worum auch immer es sich handelt, ich würde es gern versuchen, Sir«, meinte Sofia, und als sie sah, wie er die Stirn in Falten legte, fügte sie rasch hinzu: »Was habe ich schon zu verlieren?«
»Ihr Leben, zum Beispiel.« Lynsley sah ernster aus, als sie ihn je zuvor gesehen hatte. »Und was die restlichen Konsequenzen betrifft, so wünschte ich, ich wüsste selbst Bescheid. In diesem besonderen Fall kann ich Ihnen leider nicht den Namen des Feindes nennen oder sein Gesicht beschreiben. Ich muss Sie in das Herz der Londoner Gesellschaft stoßen ... in ein Spinnennetz, wie seidig auch immer es gesponnen sein mag ... und darauf hoffen, dass Sie selbst in der Lage sein werden, die Lügen und Intrigen zu durchschauen.«
»Sir, es ist mir gelungen, hier an der Akademie einige schwierige Situationen zu meistern.« Sofia versuchte, ruhig zu bleiben und sich zu beherrschen, obwohl das Herz ihr wie wild an die Rippen pochte. »Ich bin recht geschickt darin, sowohl meine Waffen als auch meinen Verstand zu benutzen. Was auch immer verlangt wird, ich werde Sie nicht enttäuschen.«
»Ich mache mir keine Sorgen um mich selbst«, erwiderte er Marquis sanft. »Ich schicke keinen Merlin in den Kampf, ohne nicht wenigstens eine kleine Chance zu sehen, dass unser Falke den Sieg erringen kann.«
Sofia konterte rasch. »Wir haben gelernt, mit Widrigkeiten zurechtzukommen, nicht wahr? Wir existieren doch nur aus dem einzigen Grund, nämlich just in dem Augenblick eine Aufgabe zu übernehmen, wenn es aussichtslos erscheint, sie auch bewältigen zu können.«
»Sie hat ins Schwarze getroffen, Thomas«, stimmte Mrs. Merlin zu.
Lynsley seufzte und gestattete sich ein kleines Lächeln. »Sofia, ich sehe, dass Sie das Wort genauso geschickt führen können wie das Schwert. Was den Zweck der Akademie angeht, so haben Sie recht. Aber das macht es keineswegs leichter, Sie einer tödlichen Gefahr auszusetzen.« Er griff in seine Tasche und zog ein schmales, mit schwarzem Wachs versiegeltes Paket heraus. »Lesen Sie diese Dokumente, bevor Sie in London ankommen.«
Das Papier in ihren Händen ließ ihre Haut prickeln.
»Unglücklicherweise kann ich nicht bleiben, um Ihnen genauere Instruktionen zu geben. Ich habe eine dringliche Verabredung heute Abend in der Stadt. Mrs. Merlin wird die Grundlagen des Auftrags mit Ihnen durchgehen und mit Ihnen daran arbeiten, die Fertigkeiten zu verfeinern, die Sie brauchen, um in der Maskerade einer Lady von edler Geburt zu glänzen.«
»Ich habe Sie allerdings nicht darum gebeten, die Kleidung zu wechseln, weil ich mein Sofa vor dem Dreck schützen wollte«, bemerkte Mrs. Merlin trocken. »Sobald Sie die Lederhosen gegen blaue Seide eingetauscht haben, werden wir jede Stunde des Tages nutzen, um Ihren glänzenden Auftritt zu verbessern. Lord Lynsley möchte, dass Sie übermorgen bereit sind, nach London aufzubrechen.«
»Anders als die meisten anderen Missionen wird diese uns die Gelegenheit verschaffen, uns in der Gesellschaft zu begegnen«, kündigte der Marquis an. »Denn schließlich werden Sie die Salons auf dem Höhepunkt der Saison betreten, und als Witwe eines italienischen Grafen werden Sie sich rasch auf den Gästelisten der besten Häuser finden.«
»Wie ...«, begann Sofia.
»Ich hoffe, dass die Einzelheiten geklärt sind, wenn Sie in der Stadt eintreffen.« Lynsley griff nach seinem elfenbeinernen Spazierstock und den grauen Handschuhen. »Bis es so weit ist, hören Sie genau auf jedes Wort, das Mrs. Merlin Ihnen noch auf den Weg mitgibt.«
Sofia schwirrten tausend Fragen im Kopf herum, aber sie hielt ihre Antwort schlicht und einfach. »Ja,
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