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Die scharlachrote Spionin

Die scharlachrote Spionin

Titel: Die scharlachrote Spionin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Pickens
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allein, was aus ihr geworden war.
    Seltsam, aber ihre Zimmergenossinnen hatten niemals besondere Gedanken an ihr Erbe verschwendet. Es hatte sie nicht gestört, nichts über ihre Herkunft zu wissen, über ihre Eltern. Weil sie nicht zu sentimental erscheinen wollte, hatte Sofia ebenfalls so getan, als würde sie sich den Teufel für all das interessieren. Aber insgeheim war es, als würde das Bild ihr immer dieselbe Frage ins Ohr wispern ...
    Wer bin ich?
    »Sofia, Mrs. Merlin möchte Sie jetzt sehen.«
    Rasch ließ sie das Medaillon wieder in die Falten des Leinenhemdes zurückgleiten, erhob sich und straffte die Schultern. Nein, sie würde sich keinerlei Blöße geben. Schließlich war sie ein geborener Merlin.
    »Melde mich zum Dienst.« Sofia nickte zum Gruß, als sie vor dem Eichenholzschreibtisch angekommen war.
    »Sofia.« Die Direktorin betrachtete die militärische Bekleidung und die schmutzigen Stiefel mit gerunzelter Stirn, bevor sie die Feder in ihrer Hand beiseitelegte. »Ich gemeinte nicht, dass Sie schnurstracks von den Ställen hierhermarschieren sollen, meine Liebe!« Sofia bemerkte, dass die Direktorin einen raschen Blick auf Lord Lynsley warf, der am marmornen Kamin stand. »Gehen Sie zurück in Ihre Unterkunft und wechseln die Kleidung! Sie könnten zum Beispiel das indigoblaue Seidenkleid tragen, wenn es Ihnen nichts ausmacht. Der Marquis und ich haben es nicht eilig.«
    Sofia hatte das Gefühl, dass man ihr die Kehle zuschnürte, machte auf dem Absatz kehrt und hielt dann inne. Zum Teufel noch mal mit all der Etikette und dem damenhaften Benehmen. Wenn sie schon aus der Akademie geworfen wurde und kein Merlin mehr sein durfte, dann wollte sie keinesfalls kleinlaut das Feld räumen.
    »Ich möchte lieber so angezogen bleiben, wie ich bin.« Trotzig schob sie das Kinn nach vorn. »Bei allem gebotenen Respekt, ich empfinde es als ungerecht, dass mir die Beherrschung der Etikette übel angekreidet wird. Mag sein, dass ich den Säbel oder das Stilett nicht so flink handhaben kann wie Siena oder Shannon, aber ich kann besser schießen, und ich bin viel geschickter, wenn es um Täuschungen und Tarnungen geht. Es nicht gerecht, mich in den Rang einer bloßen Beobachterin zurückzustufen, ohne mir die Gelegenheit zu geben, mich in einer Mission zu beweisen.«
    »Sie glauben also, dass wir Sie nicht für geeignet halten, in einer echten Mission zu bestehen?« Mrs. Merlin stellte den Teller mit den Erdbeertörtchen beiseite und wischte sich die Zuckerkrümel von den Fingerspitzen.
    »Warum sonst sollten Sie den Wunsch äußern, mich in Seide und Spitze zu sehen?«, erwiderte Sofia zaghaft. »Ich ... ich hatte angenommen, dass Sie mich für niedere Tätigkeiten in Anspruch nehmen wollten ... wie zum Beispiel als Zofe in die Dienste einer Lady treten zu lassen. Einer Lady, die mit einem ausländischen Diplomaten verheiratet ist.«
    »Alle unsere Schülerinnen verrichten wichtige Arbeiten«, entgegnete die Direktorin eine Spur vorwurfsvoll, »ganz gleich, ob als Schankwirtin oder als Straßenmädchen.«
    Sofia errötete. »Ich hatte nicht die Absicht, meine Mitschülerinnen zu entwürdigen. Ich ... ich hatte nur befürchtet, dass ...« Sie brach ab, unschlüssig, wie sie ihr Missbehagen ausdrücken sollte.
    »Sie hatten befürchtet, dass es im Vergleich mit Ihren früheren Zimmergenossinnen so aussehen könnte, als hätten Sie versagt?« Es war Lord Lynsley, der das unangenehme Schweigen durchbrach.
    Sofia nickte, wagte aber nicht, seinem Blick zu begegnen.
    »Wie ich früher bereits erwähnte, jeder Merlin besitzt besondere Fähigkeiten. Das ist ja gerade die Stärke dieser Schule.« Seine Lippen zuckten. »Wenn all unsere Schülerinnen solch ein explosives Temperament besäßen wie Shannon, dann wäre dieser Ort schon längst in Rauch aufgegangen.«
    »Und Siena hätte sich mit einer Rätselhaftigkeit umwoben, die für viele Missionen einfach untragbar wäre«, fügte Mrs. Merlin hinzu.
    Shannon lässt tatsächlich gern die Funken sprühen, dachte Sofia. Aber ihr frisch gebackener Ehemann, dieser geheimnisvolle russische Spion namens Alexandr Orlov, schien sie gezähmt zu haben. Die beiden arbeiteten wunderbar zusammen, hielten sich im Moment irgendwo in Preußen auf und hinderten Napoleon daran, noch weiter nach Osten vorzudringen.
    Auch Siena hatte sich jüngst verheiratet. Ja, tatsächlich, und zwar mit einem Earl - zusammen waren sie zu einer geheimen Mission nach Italien aufgebrochen. Sofia seufzte

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