Die scharlachrote Spionin
unbequem.«
»Keine Ahnung«, konterte sie, »ich trage kein Korsett.«
»Ah.« Osborne konnte ihrer Bemerkung nicht widerstehen. »Und was genau tragen Sie unter Ihrem wundervollen Kleid?«
»Staatsgeheimnis. Ich könnte es Ihnen natürlich verraten, Sir, aber dann müsste ich Sie anschließend umbringen.« Während Sofia sprach, schleuderte sie die Hand über den Körper nach hinten. Der Pfeil flog über ihre Schulter, flog so sicher ins Ziel wie ein Falke, der sich auf seine Beute stürzt.
Verdammt noch mal! Osborne wollte seinen Augen nicht trauen. Zitternd hatte die Spitze sich genau ins Bullauge gebohrt.
»Scheint so, als würde diese Runde an mich gehen.« Sie legte die beiden anderen Wurfgeschosse auf den Tisch. »Die brauche ich nicht mehr.«
»Wie zum Teufel haben Sie das zustande gebracht?«, platzte er heraus.
»Im Internat hatten wir Unterricht im Bogenschießen.«
Osborne verzog das Gesicht. »Hört sich an, als wäre der Unterricht in Italien weit freizügiger als bei uns in England.«
»In der Tat, mit klassischer Bildung hatte unser Unterricht nur wenig zu tun«, antwortete Sofia.
Plötzlich erwachte in ihm die Neugier, mehr darüber in Erfahrung zu bringen, wie sie aufgewachsen war. Den höllischen Reitlehrer hatte Lynsley bereits erwähnt. Gab es noch weitere Kriegskünste, die sie beherrschte? »Klingt ungewöhnlich. Was haben Sie noch gelernt?«
»Oh, Nahkampf zum Beispiel. Unsere Direktorin war der Meinung, dass eine Lady wissen sollte, wie sie sich zu verteidigen hat.«
Osborne ging zur Anrichte und schenkte sich einen Drink ein. »Jetzt bin ich mir sicher, dass Sie mich an der Nase herumführen wollen. Bogenschießen? Nahkampf? Als Nächstes wollen Sie mir weismachen, dass Sie in Ballistik und Schießkunst unterrichtet worden sind.«
»Ich bin eine Meisterschützin«, entgegnete Sofia hauchzart und lächelte kokett.
»Dann haben Sie sicher nichts dagegen einzuwenden, dass wir uns an die dritte Runde wagen. Um die Entscheidung herbeizuführen.«
»Ich bin dabei! Fordern Sie mich heraus, Sir.«
»Hätten Sie etwas dagegen, wenn wir unseren Wettbewerb etwas interessanter gestalten?«, fragte Osborne nach kurzem Zögern.
Sofia beobachtete, wie er einen großen Schluck Whisky trank. Das geschliffene Kristall ließ das Licht feurig golden über sein Gesicht flackern. Wie Diamanten, scharfkantig und brillant glitzernd. »Was haben Sie im Sinn?«
»Eine Wette.« Er schenkte sich nach.
Wie viele Gläser Whisky hatte er schon in sich hineingekippt? Eins? Oder zwei? Jedenfalls genug, um seine Augen gefährlich glitzern zu lassen. »Vielleicht sollten wir es einfach dabei bewenden lassen, Lord Osborne.«
»Angst, zu verlieren? Dabei reiten Sie wie ein Husar! Es kann doch nicht sein, dass eine solche Lady zu schüchtern ist, um eine Hürde zu überspringen, die höher ist als alles andere, was sie bisher versucht hat.«
Sofias Augen glitzerten. »Ich muss nichts beweisen.«
»Nein.« Seine Stimme klang wie ein heiseres Murmeln. »Aber wohin ist nur Ihre Waghalsigkeit verschwunden, Lady Sofia?«
»Und warum wollen Sie unbedingt den Preis hochtreiben, Sir?«
»Alle Männer lieben das Spiel«, konterte Osborne, »hat man Ihnen das in Ihrer extravaganten Schule nicht beigebracht?«
Sofia schüttelte den Kopf.
»Das hätte man besser tun sollen.« Langsam trat Osborne einen Schritt nach vorn. »Aber was auch immer unterrichtet wird: Diese kostspieligen Akademien verfolgen doch nur das eine Ziel, die jungen Ladys auf die Ehe vorzubereiten. Also sollten Sie nicht so unschuldig behaupten, dass Sie über die niederen Bedürfnisse eines Mannes nicht Bescheid wüssten.«
Aus der Nähe sah es aus, als ob kleine Fünkchen in seinen goldfarbenen Wimpern glitzern würden. Das übrige Gesicht lag im Schatten. Sofia sog die Luft in die Lungen, versuchte, den würzigen Duft seines Rasierwassers zu ignorieren. »Glauben Sie mir, Sir, wir sind über die Tatsachen des Lebens hinreichend aufgeklärt worden.«
»Ach, wirklich?« Osborne lachte leise. »Dann hat es bestimmt zu Ihren ersten Lektionen gehört, dass die Aussicht auf Risiko und reichen Lohn einer jeden Herausforderung erst die gewisse Schärfe verleiht.«
»Unsere Lehrkräfte haben uns vielmehr beigebracht, mit Vernunft anstatt mit Gefühl auf eine Herausforderung zu reagieren«, entgegnete Sofia.
»Was für ein Jammer!« Wieder trank er einen Schluck. »Ich hatte mich schon auf ein Duell gefreut. Andererseits hätte ich wissen müssen,
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