Die scharlachrote Spionin
die in den angrenzenden Raum führte. »Nehmen Sie mein Glas und setzen Sie sich«, flüsterte er. »Einer Witwe ist es erlaubt, sich insgeheim ein Schlückchen zu gönnen. Ich finde einen Weg zurück zum Fest, ohne gesehen zu werden.«
Es klickte leise, als der Riegel vorgeschoben wurde.
Sofia blieb gerade genügend Zeit, sich das Glas zu schnappen und es sich auf dem Sofa bequem zu machen. Nachdem sie rasch ein paar Figuren auf dem Schachbrett arrangiert hatte, schützte sie grüblerische Versunkenheit vor, als ihr Gastgeber in Begleitung zweier Gentlemen ins Zimmer trat.
»Zünde das Feuer an, Fitz, während ich die türkischen Zigarren hole, von denen ich dir erzählt habe. Uns bleibt mindestens eine halbe Stunde für den Tabak. Eine halbe Stunde Ruhe, bevor meine Frau entdeckt, dass wir uns aus dem Staub gemacht haben ...« Lord Harpworth unterbrach sich irritiert, als sein Blick auf die verräterisch raschelnde Seide traf, die sich über den gemusterten Teppich ergoss.
»Ich fürchte, ich habe mich auch aus dem Staub gemacht, Sir.« Sofia straffte den Rücken und fixierte das Trio mit schuldbewusstem Blick. »Ich hoffe, die Gentlemen sind so freundlich, meine Ungezogenheit nicht zu verraten.«
Harpworths Blick fiel auf ihren Whisky. »Äh, Sie können sich auf unsere Diskretion verlassen, Lady Sofia.« Er lachte verlegen. »Schließlich sind wir selbst auch ein wenig ungezogen.«
»Stimmt genau«, bekräftigte Mr. Kepton. Auch er schien auf den Whisky zu starren, obwohl er sich dann rasch auf das Schachbrett konzentrierte. »Äh, scheint so, als wäre Ihr König in Gefahr, Mylady. Schachmatt.«
Sofia zuckte beiläufig die Schultern. »Irgendwer muss das Spiel unvollendet zurückgelassen haben. Vielleicht hat er ... oder sie ... die lauernde Gefahr genau erkannt.« Bedächtig rückte sie die Figuren auf ihre Ausgangsposition zurück. »Wir sollten den Spielern einen Gefallen tun und ihnen einen neuen Anfang ermöglichen.«
»Wirklich sehr sportlich gedacht, Lady Sofia.« Sir Taft räusperte sich. »Nun, Gentlemen, wir sollten uns zurückziehen und es der Contessa gestatten, Ihren ... äh ... Trank zu genießen.«
»Nein, nicht nötig! Ich wollte gerade zum Mozart-Konzert zurückkehren.« Sofia erhob sich. »Ich hatte so viel von Ihrem schottischen Malt gehört, dass ich einem Schlückchen nicht widerstehen konnte«, entschuldigte sie sich. »Nun, für meinen Geschmack ist er vielleicht doch ein wenig zu feurig.« Sie griff nach ihrem Kaschmirtuch, das sie sich um die Schultern schlang. »In Zukunft werde ich mich an Champagner halten.«
»Eine kluge Wahl, Contessa!«, stimmte ihr Gastgeber zu. »Whisky aus den Highlands ist in der Tat viel zu scharf für eine kultivierte Lady.«
Sofia zwinkerte ihm zu. »Man lernt nie aus.«
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12. Kapitel
J ede Umdrehung des Kutschenrades schien an ihren Nerven zu zerren, während Sofia aus dem Fenster schaute und beobachtete, wie das Glitzern der Straßen in Mayfair zu einem wahllosen Wirbel aus Licht und Schatten verschwamm. Würde der heutige Abend sie der düsteren Wahrheit einen Schritt näherbringen? Vielleicht waren das übertriebene Worte, aber angesichts dessen, was sie in den vergangenen Tagen erfahren hatte, wurde sie das Gefühl nicht los, dass die Party in Lord Concords Refugium einen Wendepunkt in ihrer Suche markieren würde - ja, sie war sich ganz sicher.
Die letzten Tage waren ereignislos verstrichen. Außer den üblichen morgendlichen Aufwartungen und einem Besuch des Königlichen Theaters hatte sie sich von ihren gesellschaftlichen Verpflichtungen losgesagt. Die Ruhe hatte es ihr erlaubt, die Aufzeichnungen durchzusehen, die Marquis Lynsley ihr zugeschickt hatte.
Als Antwort auf ihre Frage hatten Lynsleys Agenten eine Anzahl interessanter Hinweise auf De Wintons Einkommensquellen und auf Roxburys Verbindungen zu Sforzas Handelsgesellschaft in Venedig entdeckt. Verblüfft las sie, dass alle drei Männer zusammen mit einem bekannten Mitglied der Regierung in Bombay partnerschaftlich über ein Bankkonto verfügten. Marco hatte sich die letzten beiden Nächte in den East India Docks in Blackwell herumgetrieben, östlich der Isle of Dogs, und sich ein wenig umgeschaut. Anstatt sie zu begleiten, würde er sich an diesem Abend ebenfalls dort aufhalten; sie waren übereingekommen, dass seine Talente besser genutzt waren, wenn er Schlösser aufbrach, als an ihrer Seite zu
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