Die scharlachrote Spionin
bella, das Geld wird für einen guten Zweck ausgegeben.«
»Vorausgesetzt, dass Lord Lynsley keinen Schlaganfall erleidet, wenn er die Rechnung sieht.«
»Er kann es sich leisten. Genau wie ich.«
Seine Worte erinnerten Sofia sanft daran, wie wenig sie über den Italiener wusste. Außer dass sich hinter der Prahlerei und den unverhohlenen Flirts ein aufrichtiger Freund verbarg.
»Schau nicht so finster drein!« Marco bedachte sie mit einem langen Seitenblick. »Oder wünschst du dir etwa, du hättest dich doch für die diamantenen Ohranhänger entschieden?«
»Sei nicht albern!«, murmelte sie ohne einzugestehen, dass sie sich nur deshalb für den Ring entschieden hatte, weil die Farbe exakt der Farbe von Deverill Osbornes Augen entsprach. »Und was war mit dem Privatzimmer?«
»Verschlossen«, erwiderte er.
Daran war nichts verdächtig. Der Zugang zu Aufzeichnungen und Belegen musste selbstverständlich überwacht werden.
»Aber natürlich brauche ich noch viel mehr Flitterkram für meine zahlreichen Geliebten.« Er ergriff ihren Arm und spazierte mit ihr die Straße hinunter.
»Du solltest den Familienschmuck nicht gleich auf einmal verpulvern.«
Marco zog grinsend die Brauen hoch. »Das Vermögen der Ghiradellis ist unerschöpflich.«
Sie lachte, obwohl sie sich irgendwie unbehaglich fühlte. »Ich werde dich beim Wort nehmen. Und, wie du gesagt hast, das Geld ist für einen guten Zweck angelegt. So weit wir es jetzt einschätzen können, sind sowohl Mr. Andover als auch Mr. Roxbury einen genaueren Blick wert.«
Während sie an den schicken Läden in der Bond Street vorbeispazierten, wurde Sofia den Verdacht nicht los, dass irgendetwas mit der Galerie nicht in Ordnung war. Es hatte sich dort so kalt angefühlt, irgendwie gruselig ...
Du liebe Güte! Du solltest aufhören, dich aufzuführen wie die Heldin eines Schauerromans, die sich einbildet, gleich würden verrückte Mönche oder wahnsinnige Killer zwischen den altertümlichen Schätzen hervorschießen.
»Hoffentlich tauchen sie auf der kommenden Party auf, die De Winton erwähnte.« Sofia brauchte festeren Boden unter den Füßen als nur ein paar unbestimmte Gefühle, um handeln zu können. »Aber ganz gleich, wer dort auftauchen wird - es ist höchste Zeit, diesen Nebel aus Rauch und Lügen langsam zu lichten.«
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11. Kapitel
I m Unterschied zu den Schwelgereien des vergangenen Abends versprach die Soiree bei Harpworth, eine seriöse Angelegenheit zu werden. Zu seriös, dachte Osborne und zog eine Grimasse. Obwohl das Abendprogramm mit Violin- und Cellokonzert gerade eben erst begonnen hatte, kratzte die Musik ihn bereits im Ohr.
Als er bemerkte, dass Sofia ihren Platz zwischen Miss Pennington-Pryce und der verwitweten Herzogin von Kenshire eingenommen hatte, ohne ihn eines Blickes zu würdigen, erhob er sich von seinem Stuhl hinten im Zimmer und schlüpfte hinaus in den Korridor. Einige andere Gentlemen trieben sich dort noch herum, sichtlich gelangweilt; die Hauskonzerte der Lady Harpworth waren bekannt für ihre langen Vorträge. Aber ihr Ehemann war berühmt für die Qualität seines Weinkellers, und so zogen die Abende immer eine große Gästeschar an.
Als einer der Männer vorschlug, sich zu den Erfrischungen zu begeben, folgten die anderen ihm rasch nach. Osborne ließ sich zurückfallen und eilte dann in die entgegengesetzte Richtung. Noch einmal um die Ecke, und er befand sich in einem lang gestreckten, dunklen Korridor im hinteren Teil des Stadthauses. Die Violinen erklang nur noch schwach; dankbar für die Stille lockerte er sein Halstuch und lugte in das erste Zimmer hinein, das sich ihm bot. Es handelte sich um ein Arbeitszimmer - angesichts des Schachspiels und des Backgammon-Brettes auf dem Tisch offenbar um das eines Mannes. Mehrere bequeme Armsessel flankierten den Kamin, und auf der Anrichte fand sich eine exzellente Auswahl Brandys und Portweine.
Osborne riss ein Zündholz an und hielt es an den Docht einer Kerze. Der Duft von Tabak und Leder lagen in der Luft. Unwahrscheinlich, dass es ihm jemand übel nahm, wenn er hier in aller Ruhe eine Zigarre genoss.
Obwohl er beschlossen hatte, Sofia keine Beachtung mehr zu schenken, zehrte der Gedanke an sie immer noch an seinen Nerven. Osborne verschränkte die Hände hinter seinem Rücken und begann, das Zimmer rundum abzuschreiten und die Druckgrafiken an den Wänden zu betrachten, während er
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