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Die Schatten des Mars

Die Schatten des Mars

Titel: Die Schatten des Mars Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank W. Haubold
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hin und her und sah dabei immer wieder zur Uhr, bis Dr. Balmer, der Leiter der Schulsternwarte, nach endlosen neunzig Minuten schließlich zum Ende kam.
    Der alte Mann hatte sich noch nicht einmal richtig verabschiedet, da stürmte Martin schon aus dem Zimmer, um als erster bei den Schließfächern zu sein. Nachdem er seine Habseligkeiten verstaut hatte, lief er weiter zur Cafeteria. Mittlerweile kannte er Anna Santinis Gewohnheiten und war beinahe sicher, daß sie noch auf einen Capuccino hereinkommen würde.
    Martin liebte Anna.
    Er liebte sie mit der ganzen Hingabe eines fünfzehnjährigen Jungen, der dieses Gefühl zum ersten Mal erlebte. Er liebte ihre Augen, ihr Haar und die Art, in der sie sich bewegte. Er mochte den Klang ihrer Stimme und den skeptischen Ausdruck auf ihrem Gesicht, wenn jemand in ihrer Anwesenheit allzu dick auftrug. Martin bewunderte sogar Annas Kleider, obwohl er nichts von Mode verstand und auch nicht hätte sagen können, was denn daran so großartig war.
    In den wenigen Kursen, die sie gemeinsam belegten, starrte er manchmal minutenlang zu ihr hinüber und wartete mit banger Ungeduld darauf, daß sich ihre Blicke begegneten. Hin und wieder lächelte das Mädchen ihm zu, und dann spürte Martin, wie sich sein Puls beschleunigte und ihm die Hitze in die Wangen schoß.
    Bis jetzt hatte er allerdings noch nicht den Mut aufgebracht, Anna direkt anzusprechen. Das Risiko, zurückgewiesen oder gar ausgelacht zu werden, erschien ihm zu hoch. Was, wenn sie überhaupt nichts von ihm wissen wollte und ihm nur aus Höflichkeit zugelächelt hatte?
    Martins Verunsicherung hatte gute Gründe. Er war nicht der Typ, der automatisch Aufmerksamkeit erregte, ganz abgesehen davon, daß für einen Freshman im ersten Highschooljahr die Bäume ohnehin nicht in den Himmel wuchsen.
    Die Erinnerung an ihr Raketenexperiment war längst verblaßt, wahrscheinlich wußten die meisten seiner Mitschüler nicht einmal, daß Martin damals dabei gewesen war. Was also sollte ein so gutaussehendes Mädchen wie Anna Santini veranlassen, mit ihm auszugehen?
    Martin wußte es nicht, aber aus irgendeinem Grund war er der Auffassung, daß eine Chance wie das bevorstehende Volksfest nicht wiederkehren würde. Deshalb nahm er all seinen Mut zusammen und harrte in der Cafeteria aus, bis das Mädchen endlich auftauchte.
    Er hatte Glück, denn Anna kam allein, ohne den kichernden Pulk von Freundinnen, der sie üblicherweise begleitete. Martin war es recht, er hätte ohnehin nicht gewußt, wie er sie im Beisein der anderen hätte ansprechen sollen. So wartete er, bis das Mädchen bezahlt und sich einen Platz gesucht hatte, während er in Gedanken fieberhaft nach einer passenden Gesprächseröffnung suchte.
    Das Ergebnis war alles andere als originell.
    »Hallo, Anna!«
    »Hi, Martin!«
    Wieder dieses fragende Lächeln, das er nicht einordnen konnte. Freute sie sich tatsächlich, ihn zu sehen? Noch konnte er ihr rasch ein schönes Wochenende wünschen und weitergehen, und nichts wäre verloren. Aber gewonnen auch nichts, und außerdem stand er jetzt schon viel zu lange an ihrem Tisch ... wie ein Kel l ner, der auf eine Bestellung wa r tet, dachte Martin und wurde rot.
    »Ich wollte dich fragen ...«, stammelte er verlegen.
    »Ja?«
    Die Unterbrechung brachte den Jungen völlig aus dem Konzept. Am liebsten hätte er sich auf dem Absatz umgedreht und wäre davongelaufen, aber dafür war es bereits zu spät. Jetzt mußte er es zu Ende bringen, auch wenn er sich damit vielleicht vollends zum Narren machte.
    »Na ja ... am Wochenende ist doch Jahrmarkt ...und da wollte ich ...«, Martin räusperte sich und versuchte, den Kloß in seinem Hals hinunterzuschlucken. Er wußte, daß sich sein Lächeln längst in ein hilfloses Grinsen verwandelt hatte, daß seine Ohren feuerrot waren und daß er dastand wie ein Drittkläßler, der seine Schulbücher zu Hause vergessen hat. Ängstlich suchte er im Gesicht des Mädchens nach Anzeichen von Belustigung, doch Anna blieb vollkommen ernst.
    »Mich einladen?« erkundigte sie sich, als hätte sie nichts anderes erwartet.
    Martin fiel ein Stein vom Herzen.
    Er nickte, und plötzlich gehorchten seine Stimmbänder auch wieder, als er hinzufügte: »Heute abend vielleicht?«
    »Nein, wir fahren heute abend weg«, das Bedauern in der Stimme des Mädchens klang aufrichtig. »Mein Onkel feiert seinen Fünfzigsten, und da zählt nur Kindbett oder rechtzeitiges Ableben als Entschuldigung. – Willst du dich nicht

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