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Die Schatten des Mars

Die Schatten des Mars

Titel: Die Schatten des Mars Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank W. Haubold
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setzen?«
    »Klar, danke.« Ein wenig umständlich rückte Martin einen Stuhl zurück und nahm Platz. »Schade, und wie wär’s mit morgen?«
    Samstagsabend. Die Frage kam ihm selbst ein wenig vermessen vor, aber er wollte sich nicht später vorwerfen, es nicht wenigstens versucht zu haben. Im Grunde hatte er schon jetzt mehr erreicht, als er noch heute morgen zu träumen gewagt hätte. Er saß mit Anna Santini in der Cafeteria, und sie hatte ernsthaft vor, mit ihm auszugehen! Heute war sein Glückstag, daran würden auch ein Dutzend Familienfeiern der Santinis nichts ändern. Irgendwann würde sie Zeit für ihn haben; er würde warten.
    »Da sind wir noch nicht zurück«, wehrte Anna lächelnd ab. Martins Ungeduld schien sie zu amüsieren. »Vielleicht irgendwann nächste Woche?«
    »Versprochen?«
    »Versprochen!« bestätigte das Mädchen mit einem verschwörerischen Augenzwinkern und schlug in Martins ausgestreckte Hand ein.
    »Okay, ich hol’ dich ab!« rief der Junge glücklich, und dabei blieb es, auch wenn Anna sein ritterliches Angebot, sie nach Hause zu begleiten, ausschlug. Aber das wäre wohl auch zuviel des Guten gewesen ...
     
    Als sich die vier Jungen um viertel vor sieben an der alten Dampferanlegestelle trafen, lag ein Hauch von Abschiedsstimmung über der Landschaft.
    Vielleicht war es der Widerschein des Sonnenuntergangs, der sich wie eine Haut aus glühendem Kupfer über den Fluß gelegt hatte, oder der kalte Wind, der von den Wäldern des Vorgebirges hinabwehte, die dieses Gefühl beinahe übermächtig werden ließen.
    Es ist das letzte Mal, dachte Martin, als die bunten Lichter vor ihnen auftauchten, und dieser Gedanke hatte nichts mit Anna und ihrem Rendezvous zu tun.
    Dann aber zerstreuten die Musik der Drehorgeln, die Rufe der Marktschreier und die stampfenden Rhythmen aus den Lautsprecherboxen beinahe mühelos seine trüben Gedanken und füllten sein Herz mit Staunen und Vorfreude.
    Mit leuchtenden Augen tauchten die Jungen in die Menge ein und ließen sich von einer Attraktion zur nächsten treiben.
    Schlagartig waren sie wieder acht oder zehn Jahre alt – so lange war es wohl her, daß sie nicht mehr auf einem Rummelplatz gewesen waren –, und nichts hatte sich verändert.
    »Platz da!« riefen sie übermütig beim Auto-Scooter und rammten jeden entgegenkommenden Wagen unbarmherzig gegen die Bande.
    In wilden Schwüngen jagten sie die Gondeln der Kahnschaukel zum Überschlag und genossen den kurzen Augenblick der Schwerelosigkeit, bevor sie in sausender Fahrt Anlauf für die nächste Umdrehung nahmen.
    Mit dem abgeklärten Lächeln erfahrener Astronauten schnallten sie sich in den Pilotensitzen des Spaceshuttles fest und verzogen keine Miene, als die wild gewordene Mechanik des Simulators sie mit immer aberwitzigeren Brems- und Beschleunigungsmanövern umherschleuderte.
    Sie stopften ihre Mägen mit Bergen von Pfannkuchen und Pommes frites voll, die nirgendwo so frisch und knusprig schmeckten wie auf einem Rummelplatz, und schütteten literweise eiskalte Coke hinterher.
    Irgendwann ließen sie es dann ruhiger angehen und schlenderten mit erhitzten Gesichtern über den Festplatz, noch immer auf der Suche nach einer lohnenden Herausforderung, aber ohne den Zwang, sich oder den anderen etwas beweisen zu müssen.
    Mit kritischen Blicken musterten sie die Angebote der Glücksspielgeschäfte, belächelten die Künste der Schützen, die mit .22er Gewehren auf Ziele schossen, die man aus der kurzen Entfernung eigentlich kaum verfehlen konnte, und spotteten über die Würfelspieler, die vergeblich auf den großen Wurf warteten. Der Professor bewies an Hand einer Formel, die keiner der anderen verstand, daß die Wahrscheinlichkeit für fünf Sechsen ungleich geringer war als die für andere Konstellationen, zum Beispiel eine Große Straße. Derlei Kenntnisse schienen den Spielern jedoch abzugehen. Sie setzten unverdrossen Dollar um Dollar, um endlich den Hauptpreis abzuräumen – einen zugegebenermaßen prächtigen Plüsch-Goofy, der nicht nur die Stimme des Originals, sondern auch die von Bruce Willis zu imitieren vermochte.
    Als der entscheidende Gewinn weiterhin ausblieb, gingen die Jungen weiter und ließen das lärmende Zentrum des Platzes allmählich hinter sich. Hier, abseits der großen Fuhrgeschäfte, hatten die Kellerkinder des Schaustellergewerbes ihre Stände aufgeschlagen: Schmuckhändler, die »echt goldene« Ohrringe und Haarspangen anboten, Glasbläser, die über blauen

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