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Die Schatten von Belfast

Die Schatten von Belfast

Titel: Die Schatten von Belfast Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stuart Neville
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Diese Sekunde aber war genug, dass das Licht auch Campbell erwischte. Rasch duckte er den Kopf in die Scheune zurück.
    »Davy?«, rief McGinty. »Davy, bist du das?«
    Campbell kniff die Augen zusammen und fluchte leise. Dann trat er hinaus in den Hof. »Ja, ich bin’s, Mr. McGinty.«
    McGinty trat einen Schritt näher. »Was treibst du hier?«
    »Im Haus stinkt es. Ich wollte nur etwas frische Luft schnappen.«
    »In der Scheune?«
    »Ich habe jemanden sprechen gehört. Da dachte ich, Sie wollten vielleicht lieber unter sich sein.«
    Noch einen Schritt näher. »Was hast du gehört?«
    »Nichts«, sagte Campbell. »Nur Stimmen. Verstehen konnte ich nichts.«
    Wieder fiel ein Lichtstrahl auf den Hof, der im nächsten Moment von Bull O’Kanes massigem Körper versperrt wurde. Bull kam über den Hof gestapft, seine riesigen Füße patschten auf dem Boden.
    »Kommt wieder rein, Jungs.«
    McGinty blieb noch ein paar Sekunden stehen, dann nickte er langsam. »Wir kommen. Ich glaube, du wolltest doch noch ein Wörtchen mit Davy reden, nicht wahr?«
    »Genau.« Ein Grinsen erschien auf O’Kanes gerötetem Bauerngesicht.
    Campbell machte einen Schritt zur Seite. »Worüber?«
    Doch mit einer für seine Größe erstaunlichen Behändigkeit hatte O’Kane schon Campbells Oberarm gepackt, noch bevor der sich wehren konnte. »Nur auf ein Wörtchen, mein Junge.«
    McGinty kam auf die andere Seite. »Komm einfach rein, Davy.«
    Campbell machte noch einen verzweifelten Versuch, nach der Waffe zu greifen, die hinten in seinem Hosenbund steckte, aber da hatte McGinty schon sein Handgelenk gepackt.
    »Nicht, Davy.« McGintys Stimme war so leise und warm wie der Regen. »Damit machst du es nur noch schlimmer.«

Langsam und stetig drehte Bull O’Kane im Zimmer seine Runden und musterte abwechselnd die übrigen Anwesenden. Er zog an seiner Zigarette, und heiße Rauchfinger kitzelten in seiner Kehle. Pädraig beanspruchte fast die Hälfte der alten Couch, am anderen Ende saß dieser Idiot Coyle und grinste schief. McGinty stand drüben ans Fensterbrett gelehnt und rauchte eine Zigarette. Der Fahrer hatte Coyle abgelöst und behielt die Frau und ihr Kind im Auge. O’Kane durchschaute McGinty nicht. Der war ein aalglatter Mistkerl. Immer berechnend, immer trickste er herum. Keine Sekunde hätte O’Kane ihm vertraut. Aber schlau war er, das musste man ihm lassen. Vielleicht in letzter Zeit sogar ein bisschen oberschlau. Was für eine Dreistigkeit, mit ihm vor allen anderen zu streiten!
    Downey und Malloy waren unten an der Straße und warteten auf Fegan. Die Jungs, die sonst hier arbeiteten, hatte man nach Hause geschickt. Das hier war eine vertrauliche Angelegenheit und nur für die bestimmt, die darüber Bescheid wissen mussten.
    Und dann war da noch Davy Campbell. Er stand in der Mitte des Raumes, der Überläufer von der Black Watch, der Schotte, der für Irland kämpfte. O’Kane fragte sich, wie der so lange damit hatte durchgekommen können. Der stank doch geradezu nach Beschiss. Schon am Schweiß konnte man das riechen. Jeder Blödmann konnte es sehen.
    »Willst du uns etwas erzählen, Davy?« Mit der Hacke drückte O’Kane die Zigarette auf den Dielen aus.
    Campbells Stimme war fest, doch seine Augen flackerten. »Was meinen Sie damit?«
    O’Kane drehte weiter seine Kreise und ließ dabei kein Auge von Campbell. »Genau das, was ich gesagt habe. Hast du uns was zu erzählen? Fällt dir da irgendwas ein?«
    »Ich weiß nicht, wovon Sie reden.«
    O’Kane trat ihm in die Kniekehle. Campbell ging hart zu Boden, seine Kniescheibe knallte auf die Holzdielen. Er schrie auf und hielt sich die Seite. Sein Kopf wurde rot.
    »Das hier ist kein Firlefanz, Davy. Wir meinen es ernst.«
    O’Kane hätte ihm versprechen können, dass er am Leben bleiben würde, wenn er die Wahrheit sagte, aber Campbell war nicht dumm. Der Schotte wusste, dass er in dem Moment tot war, wo er auspackte. Er würde also die Sache in die Länge ziehen und hoffen, dass sie ihm am Ende glaubten. O’Kane war sich allerdings seiner Sache sicher. Dieser hochnäsige englische Homo vom Nordirlandbüro würde für seine Informationen einen Urlaub an der Algarve und darüber hinaus einen stattlichen Beitrag zu seiner Altersversorgung bekommen. Jeder im Nordirlandbüro wusste, dass man einen Bull O’Kane nicht anlog, egal, um welchen Preis. Diese Informationen waren hieb- und stichfest. Und jetzt wollte er noch mehr hören.
    »Du wirst mir jetzt die Wahrheit sagen«,

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