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Die Schatten von Belfast

Die Schatten von Belfast

Titel: Die Schatten von Belfast Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stuart Neville
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wurde ein aufrechter Mann, ein unermüdlicher Arbeiter für sein Volk, heimtückisch von den Polizeikräften der sogenannten Ordnungsmacht überfallen. Man prügelte so lange auf ihn ein, biss er das Bewusstsein verlor, eine klaffende Kopfwunde und ein gebrochenes Handgelenk hatte und einfach liegengelassen wurde, so dass er an seinem eigenen Erbrochenen erstickte. Und trotzdem verlangen die von uns, dass wir eine Institution unterstützen sollen, die auf der Tradition von Unterdrückung und Faschismus fußt.«
    Wieder ein Raunen der Menge, diesmal lauter. McGinty wartete, bis es verebbt war, seine Augen gaben den Takt vor.
    »Mehr sage ich nicht. Aber ich werde nicht ruhen, meine Partei wird nicht ruhen, meine Gesellschaft wird nicht ruhen, bis die, die dafür verantwortlich sind, zur Rechenschaft gezogen wurden, Und das wird der Prüfstein sein, Kameraden. Wenn die Zeugen, mit denen ich heute Morgen gesprochen habe, die Zeugen, die gesehen haben, wie Vincent Caffola von Schergen der sogenannten Ordnungsmacht in einen Hinterhof gezerrt wurde, wenn diese Zeugen zum Ombudsmann der Polizei gehen und erzählen, was sie gesehen haben - wird dann der Gerechtigkeit Genüge getan?«
    Die Menge hielt gespannt den Atem an, und McGinty reckte das Kinn hoch. Eigentlich hätte die Dreistigkeit dieser Lüge Fegan nicht so überraschen sollen.
    »Und wenn nicht …« McGintys Brustkorb schwoll an, er holte tief Luft holte: »MEHR SAGE ICH NICHT!«
    Ein wütender Aufschrei toste durch die Menge, Fäuste wurden in die Höhe gereckt.
    »Mehr sage ich nicht. Diese Prüfung werden sie nicht bestehen, und ich werde nicht zögern, der Partei zu empfehlen, dass man der PSNI das Vertrauen entzieht. Wir sind uns der Implikationen einer solchen Entscheidung sehr wohl bewusst, und glaubt mir, Kameraden, diese Entscheidung wird nicht leichten Herzens getroffen werden. Aber es ist die einzige Wahl, die die britische Regierung, der Ombudsmann und die Polizei, die behauptet, alle Teile unserer Gesellschaft zu vertreten, uns noch lassen.«
    Fegan staunte über McGintys Arroganz und die Kühnheit, mit der er solche Drohungen ausstieß. Die Parteiführung hätte dem nie zugestimmt, da war Fegan sich sicher. Aber er interessierte sich auch nicht für Politik. Nicht mehr. Die Sache, in deren Namen er einst gemordet hatte, war lange passe, vereinnahmt von gierigen Männern wie McGinty.
    Manchmal fragte er sich, ob er überhaupt je an dieses Zeug geglaubt hatte. Als Junge hatte er die Narben erlebt, die seine Leute davongetragen hatten. Er erinnerte sich noch an die Razzien, bei denen die Bullen und die Briten Türen eingeschlagen hatten. Junge Männer hatten sie aus den Betten gezerrt und ohne Verfahren in Long Kesh eingebuchtet, dem ehemaligen Luftwaffenstützpunkt, aus dem später das Maze Prison geworden war, oder auf Gefängnisschiffen in den Docks von Belfast. Er erinnerte sich an die Wut, die Armut und die Arbeitslosigkeit. Die einzige Möglichkeit, etwas zu haben und zu sein, war kämpfen. Schmeißt die Briten raus, übernehmt die Macht von den Unionisten, nehmt euch die Freiheit mit gezückter Waffe. So war damals geredet worden, und er hatte es geglaubt.
    Aber es gab auch noch andere Gründe. Fegan war ein Sonderling gewesen, schnell mit der Faust, aber nicht eben wortgewandt. Als McKenna sich vor dreißig Jahren mit ihm angefreundet hatte, war ihm das vorgekommen wie der Weg in eine größere Welt. Eine Welt, in der er etwas hermachte. McKenna hatte sich dafür eingesetzt, dass Fegan auf die Campingausflüge an die Grenze mitgenommen wurde, zu den Wäldern und Seen bei Castleblancy, wo er und die anderen Jungen Soldat gespielt und mit Luftgewehren auf Pappscheiben geschossen hatten.
    McKenna nannte es einen Jugendklub. Fegans Mutter nannte es Gehirnwäsche.
    Paul McGinty fuhr sie zu ihrem ersten Ausflug und holte sie in einem alten VW-Bus ab. Er war damals noch nicht einmal zwanzig, aber jeder kannte schon seinen Namen. Ein paar Jahre zuvor war er in Long Kesh eingesperrt gewesen. Hineingekommen war er als rotznasiger Schläger, aber als er ein halbes Jahr später entlassen wurde, zitierte er Karl Marx und Che Guevara. Er saß am Lagerfeuer und las den Jungen aus Das Kapital vor, während die Bohnen aßen und Zigaretten rumgehen ließen.
    Jetzt stand McGinty da oben in seinem Designer-Anzug und war so weit weg von dem jungen Revoluzzer, an den Fegan sich erinnerte, wie man sich nur vorstellen konnte.
    Irgendwann zwischen Fegans Verurteilung

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