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Die Schatten von Belfast

Die Schatten von Belfast

Titel: Die Schatten von Belfast Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stuart Neville
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Rauchwolke an der Ecke zu. Dort lagen über die ganze Straße verstreut die Reste eines Mülleimers. Die Schaufensterscheibe eines Ladens war eingedrückt, im Licht der Straßenlaternen glitzerten Glassplitter und Zuckerguss.
    Fegan achtete nicht darauf, sondern besah sich stattdessen die sechs Körper auf dem Boden. Drei der britischen Soldaten waren tot, aber drei bewegten sich noch zuckend. Zwei besaßen sogar noch alle Gliedmaßen. Man hätte sagen können, dass sie Glück gehabt hatten, wäre da nicht Fegan gewesen. Der dritte Überlebende hatte den größten Teil seines rechten Arms eingebüßt - er war derjenige, der geschrien hatte, aber inzwischen hatte der Schock dafür gesorgt, dass er nur noch stumm vor sich hin zitterte. Es war eine kleine Bombe gewesen, gebaut für möglichst viele Opfer in einem begrenzten Bereich und minimalen Sachschaden in der Umgegend.
    Eine Frau trippelte aus dem Haus neben dem Laden und zeigte auf ihr Wohnzimmerfenster. »Jetzt seht bloß, was ihr gemacht habt. Ich brauche einen Monat, bis ich die ganzen Splitter wieder aufgesaugt habe.« Dann bemerkte sie die Männer am Boden und bekreuzigte sich. »O Gott, die armen Jungen. Möge Gott sich ihrer annehmen.«
    Fegan zielte mit der Pistole auf ihre Schläfe. »Gehen Sie wieder rein «, befahl er.
    Ohne jede Widerrede gehorchte die Frau. Fegan wappnete sich schon dafür, die Sache zu Ende zu bringen, doch im nächsten Moment wirbelten er und Coyle herum. Von hinten hörten sie das Trippeln von Ledersohlen.
    »O weh«, rief Pater Coulter und blieb atemlos stehen. »O weh, o weh! Du lieber Gott!«
    »Wir sind hier noch nicht fertig, Pater«, sagte Fegan. Er ging von einem Soldaten zum nächsten und trat ihre Waffen beiseite.
    »Lasst mich ihnen um Himmels willen wenigstens die letzte Ölung geben «, rief der Priester.
    »Wenn wir fertig sind.«
    Pater Coulter trat näher an den ersten der drei Soldaten heran. Dann starrte er sie nacheinander an und riss entsetzt die Augen auf. »Diese Männer leben ja noch.«
    »Sie gehen jetzt besser, Pater«, sagte Fegan. »Kommen Sie in ein paar Minuten wieder.«
    »Nein«, widersprach Pater Coulter. »Diese Männer können gerettet werden. Wir können sie doch nicht einfach so sterben lassen, egal wer sie sind.«
    »Hören Sie auf«, mischte Coyle sich ein. »Sie hassen die Briten doch genauso wie alle anderen. Wie oft haben sie nicht die Jungs bei sich reingelassen, sie versteckt und ihnen Alibis verschafft.«
    Pater Coulter schnappte ein paar Mal nach Luft. »Nein«, wehrte er sich schließlich, »Das ist nicht wahr.«
    Fegan warf Coyle einen warnenden Blick zu, dann wandte er sich wieder an den Priester. »In Ordnung, Pater. Die haben unsere Gesichter ja nicht gesehen. Wir lassen sie am Leben, wenn Sie das so unbedingt wollen. Aber wenn Sie später einer fragt, werden Sie schon erklären müssen, warum Sie die Sache unterbunden haben.«
    Fegan beugte sich ganz nahe an Pater Coulter heran und flüsterte. »Sie müssen es McGinty erklären, wenn er kommt und nachfragt. Und glauben Sie mir, er wird kommen. Sie sind ein tapferer Mann, Pater Coulter, aber sind Sie wirklich so tapfer?«
    »Ich … ich … ich …«, stammelte Pater Coulter. Irgendetwas zwang ihn, die Augen zu Boden zu schlagen. »O mein Gott.«
    »Bitte«, keuchte einer der Briten und zog an Coulters Hosenbein. Blut lief ihm aus den Ohren, den Helm hatte er verloren. »Helfen Sie mir«, wimmerte er aus verkohlten Lippen.
    Pater Coulter riss sein Bein los und machte einen Schritt zurück. Fegan schob eine Kugel ins Magazin und hielt dem Soldaten die Pistole an den Kopf. »Sie haben die Wahl, Pater.«
    »Mein Gott, hör auf damit, Gerry«, rief Coyle.
    »Halt deine verdammte Klappe«, fuhr Fegan ihn an. »Wenn er den Stab über mich brechen will, dann aber auch ohne Wenn und Aber.«
    Er sah wieder den Priester an. »Haben Sie verstanden, Pater? Jeden Samstagabend und jeden Sonntagmorgen stehen Sie da in Ihrer Kirche und erzählen uns, dass wir uns von der Sünde abkehren sollen. Und die ganze Zeit befolgen Sie McGintys Anweisungen, nichts zu sehen, nicht zu hören und nichts zu sagen. Und am Sonntag danach erzählen Sie uns wieder, dass wir umkehren sollen. Umkehren kann man immer, nicht wahr? Sagen Sie mir, dass ich umkehren soll, dann mache ich es. Aber Sie sollten auch bereit sein, dafür einzustehen. Sie sollten bereit sein, das den Jungs auf der Straße zu erklären.«
    Pater Coulters Augenlieder flatterten. »Bitte … es

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